18.11.2025 – Das Oberlandesgericht Dresden hat es einem Versicherungsmakler untersagt, auf der Webseite mit seiner Unabhängigkeit zu werben. Dies sei irreführend, da Makler auch Zuwendungen von Versicherern erhalten. „Unabhängig“ bedeute nach dem allgemeinen Verständnis der Verbraucher „frei von jedem Einfluss“, heißt es unter anderem zur Begründung.
Ein Chemnitzer Versicherungsmakler hatte auf einer Webseite mit seiner Unabhängigkeit von Versicherungsgesellschaften geworben. Konkret schrieb er:
„Dein unabhängiger Versicherungsmakler in Chemnitz … Bei uns erwartet dich transparente und unabhängige Beratung zu allen Versicherungen auf Augenhöhe. Als unabhängige Versicherungsmakler handeln wir stets in deinem Interesse und nicht im Interesse einer Versicherungsgesellschaft.“
Diese Aussage wurde in verschiedenen Kontexten auf der Webseite wiederholt. So schrieb er in einem Ratgeber zu den Vorteilen der Maklerschaft, dass er „unabhängige Beratung“ biete und „an keine Versicherungsgesellschaft gebunden“ sei.
Verbraucherzentrale klagt gegen die Aussagen auf der Webseite
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. – VZBV klagte auf Unterlassung gegen die Aussagen auf der Webseite des Versicherungsmaklers.
Die Behauptung des Maklers, er sei und berate unabhängig, täusche interessierte Verbraucher, monierte der Verband. Keineswegs betreibe er eine unabhängige, sondern eine interessengebundene Vermittlung und Beratung. Die Versicherungsvermittlung könne demnach nie ganz unabhängig sein, da sie in der Regel provisionsbasiert erfolge.
Mit welchen Argumenten sich der Versicherungsmakler wehrte
Gegen diese Unterlassungsklage wehrte sich der Vermittler. Er brachte vor Gericht vor, dass die Behauptung, ein Makler berate unabhängig, nicht irreführend sei.
Der angesprochene Verkehrskreis erwarte bei einer Werbung mit der eigenen Unabhängigkeit nicht, dass ein Makler nicht von Versicherern vergütet werde, argumentierte der Beklagte. Vielmehr würden die Verbraucher den Begriff „unabhängig“ derart interpretieren, dass ein Makler nicht von einem einzelnen oder einer irrelevant kleinen Anzahl von Anbietern gesteuert werde, wenn er Tarife empfehle.
Als Versicherungsmakler stünde er auch rechtlich im Interessenlager des Kunden, so hob er weiter hervor. Er würde sich nach § 63 VVG angreifbar machen, wenn er ein Produkt empfehle, ohne damit den Kundenbedarf zu decken. Zudem bezeichne der Bundesgerichtshof den Makler als treuhänderischen Sachverwalter des Kunden, etwa in einem Urteil vom 22. Mai 1985 (IVa ZR 190/83).
Die Angabe ‚unabhängig‘ löst im Zusammenhang mit einem Versicherungsmakler […] die Fehlvorstellung aus, er erbringe seine Dienstleistung frei von finanziellen Vorteilen durch Versicherer.
OLG Dresden
Oberlandesgericht Dresden: Makler darf sich nicht „unabhängig“ nennen
Das Oberlandesgericht Dresden entschied jedoch mit Urteil vom 28. Oktober 2025 (14 U 1740/24), dass der Verbraucherverband einen berechtigten Unterlassungsanspruch habe. Es korrigierte damit das Urteil des Landgerichts Leipzigs, das zugunsten des Versicherungsmaklers entschieden hatte.
Nach Auffassung des OLG ist die Bezeichnung „unabhängiger Versicherungsmakler“ irreführend, da einem Makler in aller Regel „eine Vergütung vom Versicherer zuwächst“. Das Gericht führt dazu aus:
„Die Angabe ‚unabhängig‘ löst im Zusammenhang mit einem Versicherungsmakler bei einem erheblichen Teil des Verkehrs die Fehlvorstellung aus, er erbringe seine Dienstleistung frei von finanziellen Vorteilen durch Versicherer und damit ohne auch nur die Möglichkeit eines entsprechenden Eigeninteresses.“
Entscheidend ist das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers
Irreführend sei eine geschäftliche Handlung, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erwecke, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimme, so erläutert das OLG.
Maßgeblich sei hierfür, welchen Gesamteindruck die Handlung beim Verkehrskreis hervorrufe. Dabei komme es auf die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die – einer Situation angemessene – Aufmerksamkeit entgegenbringe.
Um zu beurteilen, wie ein durchschnittlich informierter Verbraucher die Werbung auffasse, verzichtete das Gericht auf ein Sachverständigengutachten. Stattdessen versetzten sich die Richter selbst in die Rolle des Verbrauchers – mit der Begründung, dass auch sie Versicherungskunden seien und deshalb über entsprechende eigene Sachkunde verfügten.
Nach Auffassung des OLG Dresden führt die beanstandete Werbung dazu, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher den Eindruck gewinnt, die Dienstleistung eines „unabhängigen“ Versicherungsmaklers erfolge ohne finanzielle Vorteile seitens der Versicherer. Eigeninteressen, wie sie etwa durch Provisionen entstehen könnten, würden dem Makler nicht zukommen.
Schon mögliche Auswirkungen im Einzelfall gilt es zu vermeiden
Der 14. Zivilsenat folgte nicht der Argumentation des Maklers, wonach Verbraucher den Begriff „unabhängig“ lediglich dahingehend verstünden, dass er nicht von einem einzelnen oder nur wenigen Anbietern gesteuert werde, sondern eine gleichberechtigte Auswahl aus hinreichend vielen Anbietern treffe.
Die beworbene Unabhängigkeit werde demnach von einem maßgeblichen Teil des Publikums so verstanden, dass finanzielle Vorteile seitens des Versicherers vollständig ausbleiben. Schon ein einziger finanzieller Vorteil, der sich im Einzelfall auswirken könne, reiche demnach aus, um dem Versicherungsmakler seine Unabhängigkeit zu nehmen.
„Unabhängig“ bedeutet „frei von jeglichem Einfluss“
Damit widersprach das Gericht einem juristischen Gutachten, das der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. in Auftrag gegeben hatte (VersicherungsJournal 10.10.2025). Darin war argumentiert worden, dass Makler nicht in einem Maße von den Courtagezahlungen einzelner Versicherer abhängig seien, dass deren Wegfall ihre wirtschaftliche Existenz gefährden würde.
In dem Gutachten werde nicht ausreichend berücksichtigt, dass beim Verständnis des Begriffs „unabhängig“ auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzuheben sei, rügte das Gericht. Nach dem Sprachverständnis bedeute „unabhängig“ im Streitfall, von einem Einfluss seitens der Versicherer frei zu sein.
Die Bezeichnung als „unabhängig“ vermittle einem relevanten Teil der Verbraucher den Eindruck, dass der Versicherungsmakler weder in einem Provisionsverhältnis noch in sonstiger Weise von Versicherern abhängig sei – und somit auch nicht die Möglichkeit eines vorrangigen Provisionsinteresses bestehe.
Versicherungsmakler, die ihr Gewerbe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften […] ausüben, handeln gesetzeskonform, aber nicht bereits deswegen auch unabhängig.
OLG Dresden
Stellung als Sachverwalter des Kunden garantiert keine Unabhängigkeit
Auch aus den gültigen Rechtsvorschriften für Versicherungsmakler ergebe sich nicht, dass sich diese im werberechtlichen Sinne als unabhängig bezeichnen dürfen, so führt das Gericht weiter aus.
Zwar sei es zutreffend, dass der Makler gemäß § 59 Absatz 3 VVG in Verbindung mit § 34d Absatz 1 GewO vom Kunden mit dem Vermittlungsgeschäft beauftragt werde, indem er nach einer Risiko- und Bedarfsanalyse den geeignetsten Versicherungsschutz beschafft. Eine Beschränkung der Beratungsgrundlage sei zudem nur erlaubt, wenn der Makler im Einzelfall darauf hinweise.
„Aus diesen Vorschriften erschließt sich indessen nicht, dass sich ein Versicherungsmakler als unabhängig bezeichnen dürfte. Versicherungsmakler, die ihr Gewerbe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften des VVG, der VersVermV und der GewO ausüben, handeln gesetzeskonform, aber nicht bereits deswegen auch unabhängig“, erläutert das Gericht.
Bestimmte Vorstellungen werden erzeugt
Bewirbt ein Versicherungsmakler hingegen gezielt seine Unabhängigkeit, entstehe bei einem erheblichen Teil des Publikums die Vorstellung, dass er nicht nur frei von Bindungen an Versicherer, sondern auch frei von deren finanziellen Vorteilen handele – also ohne mögliches Provisionsinteresse.
Bereits die Befürchtung eines Einflusses durch Provisionen werde durch eine solche Aussage „nachvollziehbar und werbewirksam von vornherein ausgeräumt. Die sprichwörtliche Annahme ‚Wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘ findet keine Grundlage und wird schon im Ansatz verhindert“, so das OLG.
Versicherungsmakler befindet sich in „Doppelrechtsverhältnis“
Der Versicherungsmakler befinde sich in einem Doppelrechtsverhältnis, so das Gericht:
- Einerseits stehe er zu den Versicherern in Beziehung, etwa aufgrund bestehender Kooperationsvereinbarungen, Courtageabreden oder der nachfolgenden Korrespondenzpflicht;
- andererseits sei er dem Kunden verpflichtet, von dem er mit dem Vermittlungsgeschäft betraut werde.
„Aus den Zahlungen und Vorteilen durch die Versicherer können sich aus Sicht von maßgeblichen Teilen des Verkehrs Eigeninteressen des Versicherungsmaklers ergeben, die – so die Befürchtung – in seine Maklertätigkeit einfließen und bei einem Drittvergleich den Ausschlag für das Angebot mit der höheren Provision geben könnten“, erläutert das OLG.
Echte Unabhängigkeit schließe finanzielle Vorteile aus
Das Gericht führt weiter aus, dass eine echte Unabhängigkeit bereits im Ansatz ausschließe, dass der Makler finanzielle Vorteile von Versicherern erhalte. Der durch die Werbung als „unabhängig“ hervorgerufene Eindruck bei Verbrauchern entspreche angesichts der tatsächlichen Vergütungen jedoch nicht der Realität und führe zu einer Fehlvorstellung.
Wenn Versicherungsmakler mit ihrer Unabhängigkeit werben, so stellen sie sich in irreführender Weise mit Versicherungsberatern gemäß § 34d GewO gleich. Diese dürften sich als unabhängig bezeichnen – auch, weil für sie ein explizites Provisionsannahmeverbot gelte. Das Gericht verwies dabei auf das Trennungsgebot gemäß § 34d Absatz 3 GewO, nach dem die Tätigkeiten von Maklern und Beratern strikt voneinander abzugrenzen seien.
Das ist […] großer Mist […]. Unsere Meinung ist und bleibt, dass Versicherungsmaklerinnen und -makler unabhängig sind.
Norman Wirth, AfW
AfW bewertet Urteil in erster Einschätzung kritisch

- Norman Wirth (Bild: Andreas Klingberg)
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V., berichtet, dass der Verband eine Stellungnahme zu dem Urteil noch prüfe und vorbereite. Gleichzeitig gab er dem VersicherungsJournal eine erste Einschätzung:
„Das ist – ich will es nicht schönreden – großer Mist. Richterschelte bringt uns hier aber nicht weiter. Unsere Meinung ist und bleibt, dass Versicherungsmaklerinnen und -makler unabhängig sind. Sie sind treuhänderischer Sachwalter des Kunden – so der Bundesgerichtshof in seinem wichtigen ‚Sachwalterurteil‘ – und in seinem Interesse tätig, stehen also in seinem ‚Lager‘“, positioniert sich Wirth.
Versicherungsmaklern stünde auch der gesamte Markt der Nettoprodukte – also ohne Courtagezahlung seitens des Versicherers – offen, argumentiert der Fachanwalt weiter.
„Aber offensichtlich sehen das die Gerichte bisher mehrheitlich anders. In den nächsten Tagen werden wir konkrete Handlungsempfehlungen an unsere Mitglieder geben. Sicherlich werden wir raten, den Begriff ‚unabhängig‘ – in allen grammatikalischen Abwandlungen – nicht mehr zu verwenden“, so Wirth.
Vorherige Urteile bestätigten Werbeverbot
Es ist bereits das dritte Urteil, in dem einem Versicherungsmakler untersagt wird, mit seiner Unabhängigkeit zu werben. So entschied auch das Oberlandesgericht Köln am 7. Februar 2024 (6 U 103/23), dass eine solche Werbung irreführend sei (Medienspiegel 2.7.2024).
Eine direkte Verlinkung des Dresdner Urteils ist nicht möglich. Um es abzurufen, muss im Suchformular das entsprechende Aktenzeichen (14 U 1740/24) eingegeben werden. Das Urteil ist rechtskräftig.



