Ungleichheit beim Gehalt beträgt bis zu 31 Prozent
6.3.2023 In fast allen Wirtschaftszweigen verdienen Frauen weniger Geld als Männer. Wie groß die Unterschiede in 46 Branchen sind, hat sich ein Institut der Hans-Böckler-Stiftung angesehen. Im Bereich Finanzdienstleistung liegt das Gefälle zwischen den Geschlechtern zwischen 21 und 31 Prozent.
Am 8. März ist wieder „internationaler Frauentag“ und „Equal-Pay-Day“. Der Aktionstag soll die Ungleichheit im Job zwischen den Geschlechtern offenlegen. Das betrifft den Verdienst im Beruf als auch die daraus resultierenden Bezüge im Alter.
Eine neue Studie zu Arbeitszeit und Einkommen in Deutschland hat dazu das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt. Sie trägt den Titel „Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland in ausgewählten Branchen“.
Ungleichheit beim Gehalt besteht über alle Branchen
Die Erhebung zeigt, dass „Geschlechtsungleichheit insbesondere in Hinblick auf die Arbeitszeitdauer und das Einkommen über (fast) alle Branchen besteht“, schreiben die Autoren. Für die Studie haben Wissenschaftler die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) und der Bundesagentur für Arbeit, die die Jahre 2021 und 2022 beschreiben, für 46 Branchen ausgewertet.
Frauen, die Vollzeit angestellt arbeiten, erhielten 2021 einen um 3,19 Euro geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdienst als abhängig vollzeitbeschäftigte Männer. Das WSI hat hier den Lohn ohne Sonderzahlungen betrachtet, den Firmen mit mindestens zehn Beschäftigten zahlen. Im Schnitt verdienten Frauen 22,33 Euro die Stunde im Vergleich zu 25,52 Euro bei den Männern.
Bis zu zehn Euro Unterschied im Bereich Finanzdienstleistung
Für den Finanzdienstleistungs-Bereich hieß das konkret: „Versicherungen und Pensionskassen“ zahlten 2021 ihren Mitarbeiterinnen 29,14 Euro brutto die Stunde. Die männlichen Kollegen bekamen 6,77 Euro mehr (35,91 Euro). In der Kategorie „mit Finanz-/ Versicherungs-Dienstleistungen verbundene Tätigkeiten“ bezogen Frauen 28,50 Euro, Männer hingegen 38,99 Euro.
Auch im Bereich „Finanzdienstleistungen“ beträgt der Unterschied knapp zehn Euro. Beschäftigte erhielten hier vor zwei Jahren 37,61 Euro; weibliche Angestellte müssen sich dagegen mit 27,90 Euro begnügen.
Wie viel weniger Frauen in der Finanzbranche verdienen
Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern wird als „Gender Pay Gap“ bezeichnet und „beträgt in Deutschland im Durchschnitt 18 Prozentpunkte“, der zulasten der Frauen geht. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern sowie der „Gender Pay Gap 2022“ sah laut vorliegender Studie im Jahr 2022 in der Finanzbranche wie folgt aus:
- Bei „Versicherungen und Pensionskassen“ lag das Gefälle zwischen den Geschlechtern bei 21 Prozent (Bruttoverdienst Frauen: 28,28 Euro, Männer: 35,58 Euro).
- Im Bereich „Finanzdienstleistungen“ verdienten weibliche Angestellte im Vorjahr 28 Prozent weniger (Frauen: 26,44 Euro, Männer: 36,49 Euro).
- In der Kategorie „mit Finanz-/ Versicherungs-Dienstleistungen verbundene Tätigkeiten“ beträgt die Lohnlücke sogar 31 Prozent (Frauen: 25,71 Euro, Männer: 37,53 Euro).
Zum Vergleich: Die Differenz schwankte im vergangenen Jahr je nach Branche im Bereich von vier Prozent im Personen- und Güterverkehr bis zu 30 Prozent im Gesundheitswesen und sogar 32 Prozent in der Rechts- und Steuerberatung. Einzige Ausnahme waren der Studie zufolge die Postdienste.
- Durchschnittliche Bruttostunden-Verdienste von Frauen und Männern sowie Gender-Pay-Gap in ausgewählten Branchen, Deutschland 2022 (in Euro und Prozentpunkten). Zum Vergrößern Bild klicken. (Bild: WSI)
Bereinigte Lohnlücke in der Versicherungswirtschaft
Destatis bezifferte die Lohnlücke im Vorjahr im Schnitt ebenfalls auf 18 Prozent. Sie blieb 2022 damit im Vergleich zu 2021 unverändert.
Nach Berechnungen des Arbeitgeberverbands der Versicherungs-Unternehmen in Deutschland e.V. (AGV) liegt das Gefälle zwischen Männern und Frauen im Innendienst der Versicherungsbranche unter sechs Prozent. Damit sei sie sogar etwas niedriger als der von Destatis für die deutsche Wirtschaft ermittelte bereinigte Gender-Pay-Gap in Höhe von sechs Prozent.
„Bei unserer Berechnung wurden Faktoren wie zum Beispiel Bildungsniveau, Qualifikation, Tätigkeit und Führungsverantwortung, aber auch Betriebszugehörigkeit und Arbeitszeit berücksichtigt“, erklärte Betina Kirsch, Geschäftsführerin beim AGV, auf Nachfrage. Für den Außendienst liegen dem Verband keine Zahlen vor (VersicherungsJournal 8.3.2022).
Als wichtigsten Grund für den Verdienstunterschied nennt die Geschäftsführerin nach wie vor die familienbedingten Ausfallzeiten von Frauen. „Wer mehrere Jahre nicht oder nur mit geringer Teilzeitquote arbeitet, hat schlechtere Möglichkeiten, wichtige Projekt im Unternehmen zu leiten und sein Gehalt neu zu verhandeln. Dies gilt vor allem dort, wo übertariflich gezahlt wird“, so Kirsch.