Arag will ab Sommer ins Beihilfegeschäft einsteigen
19.5.2023 Ein gutes Geschäftsergebnis legte die Arag vor. Weiterhin möchte sie ihre Kunden selbst beraten und bekämpft öffentlich das Anwaltsmonopol. Der traditionelle Rechtsschutzversicherer wird immer mehr zum Gesundheitsschützer. Denn vor allem Versicherungsmakler gewinnen viele neue Privatpatienten.
Eine künstliche Intelligenz (KI) hilft bei der Anwaltsempfehlung für Kunden der Arag SE. „Das bisherige Scoring-Modell wird von einer KI unterstützt“, erläuterte Vorstand Hanno Petersen am Mittwoch anlässlich der Bilanzkonferenz des Konzerns. Dabei greift der Versicherer auf ein Partnernetzwerk von 3.000 Rechtsanwaltskanzleien zurück.
- Hanno Petersen (Bild: Schmidt-Kasparek)
„Wir raten zu Juristen, die im jeweiligen Rechtsgebiet eine besonders hohe Erfolgsquote haben“, so Petersen. Derzeit setzt der Versicherer bereits 27 unterschiedliche Bots ein.
Nur im Ausland übernehmen diese Programme bereits die rechtliche Beratung der Kunden. Eine solche Beratung direkt durch den Rechtsschutzversicherer ist in Deutschland verboten. Daher fordert die Assekuranz vom Gesetzgeber eine Liberalisierung der Rechtsberatung.
Kampf dem Anwaltsmonopol
„Das Anwaltsmonopol in Deutschland sollte gekippt werden, damit die Menschen einen leichteren Zugang zum Recht bekommen“, forderte Vorstandssprecher Dr. Renko Dirksen. In anderen europäischen Staaten wie in Dänemark, den Niederlanden, Norwegen oder Schweden ist der Versicherer längst mit eigenen Anwälten auch vor Gericht aktiv. In Österreich und der Schweiz darf er immerhin mit eigenen Kräften außergerichtlich beraten.
„Wir können den Erfolg einer Liberalisierung der Rechtsberatung mit Zahlen belegen“, so Dirksen. Der Versicherer hofft nun auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Laut Dirksen steht hier eine Entscheidung an, die Auswirkungen auf das Anwaltsmonopol in Deutschland haben könnte.
Positive Signale gibt es laut Arag zudem für geschädigte Autofahrer im Dieselskandal. So soll der Bundesgerichtshof (BGH) im Juni entscheiden. „Es kann dann gut sein, dass Verfahren mit modifizierten Forderungen wieder aufgenommen werden können“, schätzte Petersen.
Beitragseinnahmen stiegen um neun Prozent
- Renko Dirksen (Bild: Schmidt-Kasparek)
Die Nachfrage nach Rechtsschutz ist weiterhin auf hohem Niveau. 2022 stiegen die Beitragseinnahmen in diesem Bereich um 6,9 Prozent auf 1,34 Milliarden Euro. „Damit haben wir unsere Position als weltweit größter Rechtsschutzversicherer weiter ausgebaut“, betonte Vorstandschef Dirksen.
Im vergangenen Jahr habe der Versicherer allein in Deutschland in 618.000 Schaden- und Beratungsfällen weitergeholfen. Unter dem Strich konnte der Versicherer 90.000 neue Kunden gewinnen.
Die Beitragseinnahmen des Konzerns stiegen im Vergleich zum Vorjahr (VersicherungsJournal 19.5.2022) insgesamt um neun Prozent auf knapp 2,2 Milliarden Euro.
PKV-Tarife attraktiv
Mittlerweile entwickelt sich der klassische Rechtsschutzversicherer immer stärker zum privaten Krankenversicherer. Hier konnten die Einnahmen 2022 um 12,7 Prozent auf 546 Millionen Euro gesteigert werden. 2022 konnte die Arag netto 10.000 Vollversicherte dazugewinnen. „Im Krankenversicherungs-Geschäft sind wir mit unseren Tarifen gut aufgestellt“, betonte Dr. Matthias Maslaton.
Die Arag würde nun die Früchte des jahrelang soliden Underwritings und Kalkulierens ernten. So sei ein stabiles Kollektiv geschaffen worden, bei dem es sehr wenig Prämienerhöhungen gäbe. Zudem gebe es viele Features, etwa für Familien, die die Tarife für die Kunden attraktiv machen würden.
„Wir profitieren bei der PKV von einem starken Maklergeschäft“, sagte Maslaton. 84 Prozent des Neugeschäfts kamen 2022 über die Schiene der unabhängigen Vermittler und rund 14 Prozent entfielen auf die Ausschließlichkeit, den Arag-Stammvertrieb. Die restlichen zwei Prozent der Neukunden wurden über sonstige Vertriebswege, wie Kooperationen gewonnen.
Einstieg in das Beihilfegeschäft
- Matthias Maslaton (Bild: Schmidt-Kasparek)
Das gute Geschäft in der PKV gehe auch 2023 weiter. „In den ersten Monaten des Jahres haben wir bereits 4.000 Neuverträge gewonnen“, so Maslaton.
Sein attraktives Standing bei Versicherungsmaklern will die Assekuranz nun nutzen. Ab Sommer 2023 will man ins allgemein als schwierig geltende Beihilfegeschäft einsteigen und so zusätzlich den Krankenschutz für Beamte anbieten. Eine Roadshow hat der Versicherer mit interessierten Vermittlern schon absolviert.
Maslaton glaubt, dass der bisherige Vertrieb über sogenannte Vertrauensleute in den Behörden nicht mehr zeitgemäß ist.
„Hier entwickelt sich ein Shopping wie in anderen Bereichen“, so der Vorstand. Klar sei aber auch, dass das Geschäft nur langsam erfolgreich werde, da ja erst nur Anwärter versichert würden.
Ergebnis steigt deutlich
Trotz eines deutlich geringeren Ergebnisses aus Kapitalanlagen, dass von 80,3 Millionen Euro auf 52 Millionen Euro zurückging, konnte der Konzern sein Ergebnis durch Erfolge im eigentlichen Versicherungsgeschäft verbessern. 2022 stieg das Ergebnis um 12,2 Prozent auf 97,3 Millionen Euro.
Die Mitarbeiterzahl des Konzerns erhöhte sich von 4.680 auf 4.760 Angestellte. Mit Shiva Meyer ist nun die erste Frau neben fünf Männern im Konzernvorstand tätig (1.12.2022). Hier hat die deutsche Führungsetage aber noch Nachholbedarf, denn in den internationalen Arag-Gesellschaften liegt der Frauenanteil in den Vorstandsgremien schon deutlich höher.
Der Wachstumskurs der Arag geht 2023 weiter. Für das erste Quartal meldet das Unternehmen ein Beitragsplus von 11,5 Prozent. In diesem Zeitraum konnten 712,3 Millionen Euro Beitragseinnahmen erzielt werden, während im gleichen Vorjahreszeitraum die Einnahmen nur bei 638 Millionen Euro gelegen hatten.