Ver.de: „Nachhaltigkeit muss nicht Verzicht bedeuten“
16.5.2023 Die Pandemie hat die Realisierung der Ver.de AG verzögert. Die Gründerin und Vorständin Marie-Luise Meinhold geht jetzt den Weg über eine Genossenschaft, die den Start des nachhaltigen Versicherers finanzieren soll.
Seit über fünf Jahren will Ver.de-Gründerin und -Vorständin Marie-Luise Meinhold den ersten konsequent nachhaltig aufgestellten Versicherer an den Start bringen (VersicherungsJournal 19.4.2017). Die sich in Gründung befindende Ver.de für nachhaltige Entwicklung e.G. soll künftig eigene „saubere“ Produkte für Privatkunden anbieten.
- Marie-Luise Meinhold (Bild: Ver.de)
Dazu gründete die ehemalige Produktentwicklerin und Nachhaltigkeits-Verantwortliche des Allianz-Konzerns kürzlich eine Genossenschaft. Aus dieser heraus soll dann die Ver.de AG entstehen. Ab 300 Euro oder dem Erwerb von drei Anteilen könne jeder Interessent mitmachen, wirbt Meinhold in einer Presseaussendung.
4.000 Mitglieder sollen geworben werden
Für die lange Anlaufzeit ihrer Vision nennt Meinhold Gründe. Einerseits sei die ehemalige Versicherungsmanagerin mit ihrer Geschäftsidee einfach ihrer Zeit voraus gewesen. Sie erklärt: „In den ersten Jahren von Ver.de war das Thema nachhaltige Versicherung noch sehr unbekannt. Die Standardfrage war, was an einer Versicherung denn nachhaltig sein soll?“
Andererseits hätten sie und ihre Mitstreiter auch mit konventionellen Versicherern, Banken und Investoren über das Projekt gesprochen, um ihr Modell schneller an den Start zu bringen. „Hier sind wir mit unserem genossenschaftlichen, nachhaltigen Ansatz leider nicht weitergekommen“, so Meinhold. Auch die Coronakrise hatte die Umsetzung nicht leichter (Medienspiegel 2.7.2020).
Inzwischen sei das Thema „nachhaltige Versicherung“ in der Gesellschaft und beim Verbraucher angekommen. „Deshalb haben wir beschlossen: Dann machen wir es eben selbst – gemeinsam mit unseren Mitgliedern – und haben nun unsere erste große Mitglieder-Kampagne gestartet“, berichtet die Gründerin.
Nach ihren Angaben braucht das Unternehmen im Schnitt 4.000 Mitglieder, um die Zulassung als Versicherer zu erhalten.
2024: erstes Versicherungsprodukt geplant
Konkret heißt das: Meinhold benötigt für den Antrag einer Versicherungslizenz einen Kapitalnachweis in Höhe von ungefähr 4,5 Millionen Euro. Über eine Millionen Euro sammelte Ver.de bereits ein und investierte diese Summe nach eigenen Angaben „nachhaltig“.
„Unser Ziel ist es, über die Mitglieder der Ver.de Genossenschaft in 2023 das restliche Kapital einzusammeln, um 2024 die Zulassung als Versicherung zu erlangen und als nachhaltiger Anbieter mit Produkten wie einer Hausratversicherung an den Markt zu gehen“, erläutert die Gründerin.
Fahrradschutz als erste Option
Das wäre der zweite Schritt, der erste ist bereits gemacht: Mit einer Fahrradabsicherung, die das Unternehmen in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (Bafin) entwickelte, ist man bereits auf dem Markt. Einen externen Risikoträger gibt es für das Angebot nicht, da es sich nicht um eine klassische Versicherung handelt.
Mit dem eingesammelten Sicherheitskapital von einer Million Euro konnte das Produkt unter dem Namen ‚Ver.de Bike‘ eingeführt werden. „Sobald wir die Versicherungslizenz erreicht haben, entwickeln wir das Angebot zu einem tatsächlichen Versicherungsprodukt weiter“, sagt Meinhold.
Heute beinhaltet der Schutz zum Beispiel eine Beitragsrückerstattung bei Schadenfreiheit, einen Zuschuss zum ÖPNV oder ein Upgrade im Schadensfall.
Versicherungen müssen ihr Geld sowieso anlegen und da hat es keinen Nachteil, dies ökologisch-sozial zu tun.
Marie-Luise Meinhold, Ver.de für nachhaltige Entwicklung
Nachhaltige Wirkung kombiniert mit innovativen Produkten
Um sich von Wettbewerbern abzusetzen, verfolgt Ver.de laut Meinhold einen ganzheitlichen Ansatz: „Wir sind genossenschaftlich organisiert, gemeinwohl-bilanziert und legen unsere wirtschaftlichen Tätigkeiten, unsere Unternehmenskultur und unsere Kapitalanlage transparent auf unserer Webseite offen.“
Nachhaltigkeit solle bei Ver.de keinen Verzicht bedeuten. „Versicherungen müssen ihr Geld sowieso anlegen und da hat es keinen Nachteil, dies ökologisch-sozial zu tun. Wir sind überzeugt, dass eine nachhaltige Wirkung kombiniert mit smarten, innovativen Produkten möglich ist.“
Nachhaltigkeitskriterien werden Teil der Unternehmensstrategie
In der Versicherungsbranche war man sich vor zehn Jahren bereits bewusst, dass der Klimawandel zum „Megathema“ werden könnte.
2012 legten Vorreiter der Branche die erste Studien, Projekte und Ankündigungen für nachhaltiges Wirtschaften auf den Tisch. Dazu gehörten unter anderem die Allianz SE, die Barmenia Versicherungen und die Swiss Life AG, Niederlassung für Deutschland (5.11.2012).
Heute wird Nachhaltigkeit weiter gefasst, Stichwort: ESG-Kriterien. Dazu gibt es mittlerweile diverse Untersuchungen, wie die Assekuranz hier aufgestellt ist. „Das Nachhaltigkeitsbarometer“ der V.E.R.S. Leipzig GmbH untersucht dazu die Bestrebungen der 25 größten Versicherer in Deutschland. Die Studie zeigt auch, wie die Unternehmen das in ihrer Produktstrategie umsetzen (26.4.2023).
„Die Assekuranz kann und muss einen spürbaren Beitrag für eine intakte Umwelt und vor allem ein menschenwürdiges Leben leisten.“ Mit dieser Forderung beginnt Michael Franke, Geschäftsführer der Franke und Bornberg GmbH, den ESG-Report 2023 (27.4.2023). Neben Aspekten in der Lebens- und Kfz-Versicherung stehen hier auch Frauenquote und das Engagement für das Allgemeinwohl auf dem Prüfstand (2.5.2023).