Deutsche wollen zeitig in Rente und hoffen auf hohe Altersbezüge
28.11.2024 – Die Deutschen möchten zeitig in Rente. Das zeigt der Financial Freedom Report im Auftrag der LV 1871: Demnach will knapp die Hälfte der Befragten spätestens mit 60 Jahren in Rente gehen. Dabei haben die Bürger hohe Ansprüche an ihre Finanzen im Alter. Durch die gesetzliche Rente allein werden diese kaum zu befriedigen sein.
Wann wollen die deutschen Bürger in Rente gehen – und mit welchem Finanzbedarf rechnen sie im Alter? Dies war ein Teilaspekt der Umfrage „Financial Freedom Report 2024“. Es ist bereits die vierte Auflage der Studie, die von der Civey GmbH im Auftrag der Lebensversicherung von 1871 a.G. München (LV 1871) durchgeführt wird.
Für die aktuelle Umfrage wurden im August 2.500 Bundesbürger ab 18 Jahren repräsentativ befragt.
Nur eine Minderheit will länger arbeiten
Die Umfrage bestätigt, dass sich viele Bürger einen sehr frühen Renteneintritt wünschen. Fast die Hälfte (49 Prozent) der 2.512 repräsentativ Befragten sagt demnach, dass sie mit bis zu 60 Jahren aufhören wollen, erwerbstätig zu sein, oder sich einen derart zeitigen Renteneintritt gewünscht hätten.
Diejenigen, die länger arbeiten wollen, sind hingegen deutlich in der Minderheit. So stimmen knapp 23 Prozent zu, dass sie „mit bis zu 70 Jahren“ in den Ruhestand wechseln wollen. Über das 70. Lebensjahr hinaus will sogar nur etwa jeder achtzehnte Befragte (5,6 Prozent) arbeiten.
Gegenüber der letztjährigen Umfrage ist die Zahl derjenigen, die zeitig in den Ruhestand wechseln wollen, allerdings leicht gesunken. 2023 sagten noch 51,2 Prozent, dass sie bis zum 60. Lebensjahr in Rente gehen wollen (VersicherungsJournal 10.10.2023).
Vor allem Jüngere wollen zeitig in Rente
Auffallend ist laut Studienautorin Professor Dr. Julia Pitters, dass vor allem jüngere Generationen einen zeitigen Renteneintritt wünschen.
Mehr als jeder Fünfte (21,4 Prozent) aus der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre will demnach mit bis zu 40 Jahren aufhören zu arbeiten, weitere 16,2 Prozent mit bis zu 50 Jahren.
„Die Gen Z scheint hier wieder dem Klischee zu entsprechen, dass Arbeit für sie einen niedrigeren Stellenwert im Leben hat als für andere Generationen“, kommentiert Pitters die Ergebnisse. In keiner anderen Altersgruppe sei der Wunsch nach einem zeitigen Renteneintritt so hoch.
Hohe Altersbezüge gewünscht
Doch nicht nur ein zeitiger Renteneintritt wird gewünscht. Die Deutschen hoffen auch auf sehr hohe Altersbezüge. Und damit auf ein Einkommen, das mit der gesetzlichen Rente allein kaum zu erzielen ist.
Um gut leben zu können, geben knapp ein Drittel der Befragten (31,9 Prozent) an, 2.000 bis 2.499 Euro Monatseinkommen im Ruhestand zu brauchen. Ein weiteres Viertel gibt an, mindestens 2.500 bis 3.000 Euro im Alter zu benötigen. Und jeder siebte Befragte geht sogar von einem Finanzbedarf von mehr als 3.000 Euro aus.
Gesetzliche Rente liegt oft unter dem gewünschten Alterseinkommen
Tatsächlich zahlt die Deutsche Rentenversicherung überwiegend niedrigere Renten aus. Laut dem Statistikportal der Deutschen Rentenversicherung Bund erhielten im Jahr 2023 87,9 Prozent der Frauen und 55,5 Prozent der Männer eine monatliche Altersrente von weniger als 1.500 Euro. Die Statistik beinhaltet auch Menschen, die nur wenig in die Rentenversicherung eingezahlt haben.
Doch auch, wer mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann im statistischen Schnitt nur auf eine niedrige Rente hoffen:
„Dem deutschen Rentenatlas 2023 zufolge beträgt die durchschnittliche Rente für langjährig Versicherte in Deutschland 1.550 Euro. Dieser Wert liegt weit unter dem durchschnittlich angegebenen Wert, wie viel man monatlich bräuchte, um gut leben zu können (bis zu 2.500 Euro)“, erklärt Wirtschaftspsychologin Pitters.
Höhere Renten von über 2.100 Euro im Monat werden hingegen selten gezahlt und nahezu ausschließlich an Männer (13,2 Prozent). Der Anteil der Frauen liegt bei lediglich 1,4 Prozent.
Regelaltersgrenze könnte über das 67. Lebensjahr hinaus steigen
Die Studie zeigt, dass die Vorstellungen der Bürger über ihren Renteneintritt oft nicht mit der Realität übereinstimmen. Bis 2031 wird die Regelaltersgrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Wer ab 1964 geboren ist, kann dann erst mit 67 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen – es sei denn, er nutzt Sonderregelungen oder hat zusätzliche Rentenbeiträge geleistet.
Doch diese Altersgrenze könnte weiter steigen. In einer alternden Gesellschaft gerät das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend unter Druck.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, bekannt als „Wirtschaftsweise“, hat daher empfohlen, das Rentenalter an die wachsende Lebenserwartung anzupassen (Medienspiegel).
Rentenbeitragssatz könnte bereits 2040 bei 22 Prozent liegen,
Wird das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten, könnte der Rentenbeitragssatz ohne Reform bereits 2040 bei 22 Prozent liegen, warnt Professor Dr. Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrats. Zudem könnten 60 Prozent des Bundeshaushalts benötigt werden, um die Rentenversicherung zu stabilisieren.
Wie die Parteien vor der Bundestagswahl im Februar konkret zu einer Rentenreform stehen, ist noch weitgehend unklar, da die Wahlprogramme derzeit noch erarbeitet werden.
Die CDU, die laut Umfragen mit Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen könnte, will ihr Wahlprogramm kurz vor Weihnachten präsentieren, wie ein Sprecher dem VersicherungsJournal bestätigt. Es soll auch Pläne für eine Reform der Altersvorsorge enthalten.
Zusätzliche Altersvorsorge: ungenügend?
Der Financial Freedom Report liefert nun erneut Hinweise, dass die Bürger trotz ihres hohen finanziellen Bedarfs im Alter nur ungenügend zusätzlich vorsorgen. Viele hoffen auf ein ausreichend hohes Alterseinkommen durch die gesetzliche Rente.
So stimmt jeder fünfte Befragte (21,3 Prozent) zu, gar keine zusätzliche Altersvorsorge zu haben. Eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung (bAV) besitzen nur 31,2 Prozent der Befragten.
Ebenfalls beliebte Arten der Vorsorge sind Immobilien beziehungsweise Bausparverträge, über die 29,9 Prozent der Befragten verfügen. Es folgen Investmentfonds/ETFs und Aktien (26,4 Prozent), Geld auf einem Konto oder bar ansparen (24,1 Prozent), private Rentenversicherungen (20,7 Prozent) sowie Edelmetalle (7,9 Prozent) (Mehrfachantworten möglich).
„Machen wir uns nichts vor – der Generationenvertrag wackelt, die staatliche Absicherung wird für Millionen Bundesbürger in Zukunft nicht reichen. Wer auch im Alter finanziell unabhängig sein möchte, muss privat vorsorgen und darf nicht das Geld auf dem Konto oder unter dem Kopfkissen versauern lassen“, sagt Hermann Schrögenauer, Vorstandsmitglied der LV 1871.