Droht den Betreibern von Internetseiten zukünftig eine KI-Regulierung?
15.5.2023 Laut einer Untersuchung von Forsa im Auftrag des Tüv-Verbandes sorgt sich der Großteil der Deutschen vor unkontrollierter künstlicher Intelligenz und ihrer zukünftigen Nutzung – trotz ihrer erkennbaren Vorteile. Eine staatliche Regelung wird gewünscht. Möglicherweise werden Webseiten, die Chatbots benutzen, kennzeichnungspflichtig. Auch ein unabhängig vergebenes Prüfsiegel können sich viele Deutsche zur Regulierung der KI vorstellen.
Künstliche Intelligenz (KI/AI) wird den Alltag der Menschen in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen – davon ist der Tüv-Verband e.V. überzeugt. Daher hat er unter dem Titel „ChatGPT & Co: Sicherheit von generativer künstlicher Intelligenz“ die Sichtweise der Deutschen auf die KI untersucht.
Dazu hat die Forsa Politik und Sozialforschung GmbH im April und Mai 1.021 Personen aus Deutschland im Alter zwischen 16 und 75 Jahren online befragt. Mehrfachnennungen bei der Beantwortung der Fragen waren möglich. Die Umfrage gilt als repräsentativ.
Fast jeder kennt ChatGPT, jeder vierte benutzt es mittlerweile
- Macht KI die Welt zu einem besseren Ort?
(Bild: Tüv-Verband)
Seit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT des amerikanischen Unternehmens OpenAI Inc. Ende 2022 ist das Thema künstliche Intelligenz latent aktuell – auch in der Versicherungsbranche.
So bei der theoretischen Frage, ob der Chatbot im Vermittlerbetrieb eingesetzt werden sollte (VersicherungsJournal 23.3.2023) oder der tatsächlichen Implementierung in beispielsweise ein Makler-Verwaltungsprogramm (13.2.2023).
Laut der Untersuchung des Tüv haben bereits 23 Prozent der Deutschen den Chatbot genutzt, 60 Prozent wiederum nicht. Insgesamt gaben 83 Prozent der Befragten an, bereits von ChatGPT gehört oder gelesen zu haben. Die größte Bekanntheit erreicht er dabei bei Personen zwischen 16 und 35 Jahren – 93 Prozent dieser Altersgruppe kennt den Bot. Hier haben bereits 43 Prozent ihn auch schon genutzt.
Die Hälfte der Befragten schätzt, dass die Chancen von KI deren Risiken übersteigen. 39 Prozent glauben das nicht. 49 Prozent meinen, dass eine KI das Potenzial berge, sie im privaten Leben zu unterstützen. Hier sind 43 Prozent skeptisch. Eindeutiger fällt die Antwort auf die Frage aus, ob KI die Welt zu einem besseren Ort machen werde: 69 Prozent sagten „nein“.
Tüv-Untersuchung erkennt Sorge vor dem „Terminator“
„Wir sehen hier ein differenzierte Betrachtungsweise. Die Deutschen sehen in künstlicher Intelligenzen Chancen und Risiko“, erklärt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des Tüv-Verbandes. KI berge „Licht und Schatten“.
- Welche Risiken die Deutschen sehen. (Bild: Tüv-Verband)
Die größte Sorge sei, dass die Gesellschaft auf diese technologische Entwicklung nicht ausreichend vorbereitet sei. Das gaben 82 Prozent der Teilnehmer an. Ebenfalls bestünden nicht abschätzbare Risiken (80 Prozent) und die Sorge, dass eine KI die persönlichen Daten nicht hinreichend schütze (76 Prozent).
Wir sehen hier bei den Deutschen den […] Terminator-Effekt.
Dr. Joachim Brühler, Tüv-Verband
Ganze 65 Prozent haben Sorge, dass die Technologie für den Menschen nicht mehr kontrollierbar werde. „Wir sehen hier bei den Deutschen den, ich nenne es mal, Terminator-Effekt“, sagt Brühler. Gemeint damit ist die Sorge, dass die künstliche Intelligenz sich im Denken verselbstständigt.
Zudem steigt die Angst davor, dass KI die Arbeitswelt auf den Kopf stellen werde. 87 Prozent glauben, dass diese grundlegend verändert wird. 50 Prozent meinen, dass Bots unterstützend wirken würden, während 48 Prozent meinen, dass die KI ein Job-Killer werde. 15 Prozent sehen ihren eigenen Beruf gefährdet. „Das sind in Deutschland also Millionen von Menschen mit dieser Sorge“, so Brühler.
Menschen fordern Regulation durch Politik
Die Besorgnis, nicht mehr erkennen zu können, ob ein Foto oder Video echt oder durch KI gefälscht ist, teilen 91 Prozent der Teilnehmer. Ebenso, ob ein Text von einer Maschine oder einem Menschen verfasst wurde (90 Prozent). 84 Prozent sind überzeugt, dass KI die Verbreitung von Fake-News „massiv beschleunigen“ werde.
Angesichts dessen sagt der Tüv-Geschäftsführer: „Selbstverständlich brauchen wir da einen Rahmen. Das ist der klare Auftrag der Menschen an die Politik: Einen Rahmen für die Nutzung von KI zu schaffen.“ 91 Prozent seien für einen rechtlichen Rahmen durch den Gesetzgeber.
Gleichzeitig gaben aber auch 30 Prozent an, dennoch nicht zu sehr zu regulieren, damit die EU im Vergleich zu den USA und China in der KI-Technologie nicht zurückfällt. 16 Prozent wollen gar keinen Eingriff staatlicherseits. Es müsse ein Mittelweg zwischen „deregulierendem Wilden Westen“ und völligem Verbot gefunden werden, so Brühler.
Mögliche Kennzeichnungs-Pflicht für Nutzer von künstlicher Intelligenz
Wenn es um die Frage der Regulierung geht, sprechen sich 94 Prozent der Teilnehmer für eine Transparenz- oder Kennzeichnungs-Pflicht für automatisierte beziehungsweise mit KI-Unterstützung erstellter Inhalte aus.
„Das bedeutet, dass jemand, der mit seinem Versicherer chattet, darüber informiert werden muss, ob auf der anderen Seite ein Chatbot oder ein Mensch sitzt“, erklärt der Tüv-Geschäftsführer. 88 Prozent sehen die Pflicht zur Kennzeichnung bei Herstellern und Anbietern. Ein verpflichtendes Prüfsiegel, dass Qualität und Sicherheit des KI-Systems durch eine unabhängige Organisation – wie dem Tüv – ausweist, befürworteten 86 Prozent der Befragten.