Touristenfahrt auf dem Nürburgring erhöht das Haftungsrisiko

18.9.2025 – Wer bei einer Touristenfahrt auf einer freigegebenen Rennstrecke unterwegs ist, muss mit einer erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs rechnen. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Koblenz. Ein Motorradfahrer wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt – obwohl es keinen direkten Zusammenstoß gab und der nachfolgende Autofahrer selbst einen Verkehrsverstoß begangen hatte.

Im Juni 2019 stürzte ein Motorradfahrer während einer Touristenfahrt auf dem Nürburgring. Gegen Gebühr können dort private Hobbymotorsportler die Rennstrecke testen. Das Motorrad lag im Abschnitt Schwalbenschwanz/Galgenkopf mitten auf der Fahrbahn – einer länglichen Linkskurve, die in einen geraden Streckenabschnitt übergeht.

Ein nachfolgender Fahrer hatte seinen Pkw am Grünstreifen geparkt, um dem Verunfallten zu helfen. Der Fahrer eines BMW M4 musste aufgrund des Motorrads auf der Fahrbahn und des geparkten Autos stark abbremsen. Ein weiterer nachfolgender Pkw fuhr daraufhin in der Kurve auf das Heck des BMW auf. An den Fahrzeugen entstand hoher Sachschaden.

Auffahrender Pkw-Fahrer fordert Schadensersatz vom Motorradversicherer

Der Fahrer des auffahrenden Pkw verlangte vom Kfz-Haftpflichtversicherer des Motorradfahrers Ersatz für die Schäden an seinem Fahrzeug.

Er argumentierte, dass sowohl der Grünstreifen rechts von der Fahrbahn als auch die Fahrbahn selbst durch das liegengebliebene Motorrad blockiert gewesen seien. In Sekundenbruchteilen habe er eine Notbremsung einleiten müssen, um einen Personenschaden zu verhindern.

Der Motorradversicherer weigerte sich jedoch, den Schaden zu ersetzen. Er begründete dies damit, dass der BMW M4 kontrolliert zum Stehen gekommen sei und der nachfolgende Fahrer zu spät auf das Bremsmanöver des vorausfahrenden Fahrzeugs reagiert habe.

Bei ausreichendem Abstand, angepasster Geschwindigkeit und angemessener Reaktion hätte der Mann sein Fahrzeug ohne weiteres unbeschadet hinter dem vorausfahrenden M4 zum Stillstand bringen können, so der Versicherer.

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Zu dicht aufgefahren – und trotzdem teilweise Schadensersatz

Nachdem der Autofahrer gegen den Versicherer vor Gericht gezogen war, sprach ihm das Landgericht Koblenz am 16. September 2025 (5 O 123/20) in einem nicht rechtskräftigen Urteil 20 Prozent der geforderten Schadensersatzsumme zu. Die restlichen Ansprüche wies es zurück.

Unzweifelhaft ereignete sich der Unfall während des Betriebs der beteiligten Fahrzeuge, stellte das Gericht fest. Keiner der Fahrer konnte nachweisen, dass es sich um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Absatz 3 StVG handelte – also um ein Ereignis, das selbst durch äußerste Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. Ein solches Ereignis hätte die Haftung des jeweiligen Fahrers ausgeschlossen.

Nach § 17 Absatz 1 und 2 StVG hängt dann der Umfang des Schadensersatzes davon ab, in welchem Maß die Beteiligten den Unfall verursacht haben. Maßstab ist dabei das Verhalten eines sogenannten „Idealfahrers“, das auf die konkreten Umstände des Falls angewendet wird.

Dabei konnte dem Kläger nachgewiesen werden, dass er einen zu geringen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten hat und damit gegen § 4 Absatz 1 StVO verstieß. Auch sei seine Geschwindigkeit mit rund 135 km/h angesichts der Kurve und der Verkehrssituation nicht angemessen gewesen.

Erhöhte Betriebsgefahr des Motorrades

Trotz des Abstandverstoßes des Klägers muss sich der Motorradfahrer die Betriebsgefahr seines Zweirades anrechnen lassen.

Nach Darstellung des Landgerichts Koblenz ist diese bei Touristenfahrten wegen der besonderen Gegebenheiten und der damit verbundenen Risiken erhöht – das Gericht verweist hierzu auf die gängige Rechtsprechung (VersicherungsJournal Medienspiegel 16.6.2021).

Grund für die erhöhte Betriebsgefahr sei, dass bei zügigem sportlichem Fahren ein Kontrollverlust über das Fahrzeug drohe, während bei langsamer und vorsichtiger Fahrweise Auffahrunfälle mit sich von hinten nähernden Fahrzeugen provoziert werden könnten, die sich „im Rennmodus“ befinden.

Im vorliegenden Fall habe sich die Betriebsgefahr des versicherten Motorrads ursächlich auf den Unfall ausgewirkt – auch wenn es keine direkte Berührung zwischen Motorrad und Pkw gab. Es genüge bereits, dass der Betrieb des Fahrzeugs nicht nur durch seine bloße Anwesenheit, sondern durch seine Fahrweise oder sonstige Beeinflussung des Verkehrs zum Schaden beigetragen habe.

Der Motorradversicherer muss folglich die Schadenskosten zu einem Fünftel übernehmen.

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