Was Gründer am Standort Deutschland ärgert

17.1.2025 – Eine aktuelle Bitkom-Studie zeigt ein wenig freundliches Geschäftsklima für Neugründer in Deutschland. Nicht einmal die Hälfte der Neugründer, deren Unternehmen mittlerweile eine Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar aufweist, würde sein Start-up erneut am Standort Deutschland gründen. Mit Blick auf die Versicherungswirtschaft fällt die Bilanz besonders ernüchternd aus.

Wie schlägt sich Deutschland als Gründungs- und Wachstumsstandort im internationalen Vergleich? Dieser Frage widmete sich der Branchenverband Bitkom e.V. in seinem aktuellen Unicorn-Report 2025. Die Studie untersucht, wie gut sich deutsche Start-ups in Bezug auf Gründung und Wachstum im globalen Wettbewerb positionieren können.

Details zur Start-up-Studie

Für die Untersuchung wurden anonym 17 Gründer von deutschen Unternehmen befragt, die aktuell noch aktiv sind und den Status eines sogenannten Unicorns erreicht haben. Unicorns sind nicht-börsennotierte Unternehmen, die eine Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar aufweisen und überwiegend in der Technologiebranche tätig sind.

Auch wenn 17 Unicorns auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, entsprechen sie 63 Prozent der deutschen Unicorn-Landschaft. Insgesamt haben bisher 27 deutsche Start-ups eine derartig hohe Bewertung erlangt (Stand Januar 2025). Zusätzlich wurden mehrere Studien zur internationalen Unicorn-Landschaft ausgewertet, um den deutschen Standort entsprechend einordnen zu können.

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Deutschland fällt hinter andere Länder zurück

Um die deutsche Unicorn-Landschaft auszuwerten, haben die Studienautoren unter anderem auf Daten des US-amerikanischen Marktforschungs- und Beratungsinstituts CB Insights zugegriffen. Dessen „Unicorn-Tracker“ listet für den Dezember 2024 weltweit 1.257 „Einhörner“ mit einer entsprechend hohen Bewertung auf.

Deutschland stellt nur einen kleinen Teil davon: Mit 27 Unternehmen repräsentiert es rund 2,15 Prozent der globalen Unicorns. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass Deutschland hier zunehmend ins Hintertreffen gerät. So zählen die USA aktuell 682 Unicorns, China 163, Großbritannien 55 und Frankreich immerhin noch 29 entsprechende Neugründungen.

Dabei ist zu beachten, dass die deutsche Unternehmenslandschaft stark von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt ist und sich viele Neugründungen entsprechend in diesem Segment bewegen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ließen sich im Jahr 2022 rund 99,3 Prozent der deutschen Firmen den KMU zuordnen.

Nicht einmal jeder Zweite würde erneut in Deutschland gründen

Die weiteren Ergebnisse der Studie geben jedoch Hinweise darauf, dass Deutschland für Neugründungen ein wenig attraktiver Standort ist – und die Gründer auf zahlreiche Widerstände stoßen.

So wurden die deutschen Unicorn-Gründer gefragt: „Wenn Du noch einmal vor der Entscheidung stehst zu gründen, würdest Du aktuell erneut gründen?“ Nur knapp jeder zweite Befragte (47 Prozent) antwortete mit „Ja, in Deutschland“.

Weitere 48 Prozent würden stattdessen einen ausländischen Standort für ihre Neugründung vorziehen. Etwa jeder Vierte davon nennt die USA, zwölf Prozent bevorzugen ein anderes EU-Land und weitere zwölf Prozent einen anderen internationalen Standort. Weitere sechs Prozent würden auf eine erneute Gründertätigkeit verzichten.

Umfrageergebnis (Bild: Bitkom)
Zum Vergrößern Bild klicken. (Bild: Bitkom)

Bürokratie, EU-Binnenmarkt und Fachkräftemangel als Hindernisse

Darüber hinaus wurden die Unicorn-Gründer gefragt, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um Deutschland wieder zu einem attraktiveren Standort für Start-ups zu machen. Ihre Antworten verdeutlichen gleichzeitig, auf welche Hindernisse Unternehmensgründer hierzulande stoßen:

  • Als größtes Hindernis entpuppt sich die Bürokratie. Fast acht von zehn Gründern fordern, dass Ressourcen mobilisiert werden müssen, um bürokratische Hürden abzubauen. Das beinhaltet zum Beispiel die Reduzierung von Berichtspflichten und schnellere Zulassungen.
  • Ein weiteres wichtiges Hindernis ist der nicht ausreichend harmonisierte EU-Binnenmarkt. Immerhin 41 Prozent der Unternehmer fordern, dass europäische Standards weiter vereinheitlicht werden müssen, weil ihnen der Zugang zu anderen europäischen Märkten noch immer durch unterschiedliche Rechts- und Aufsichtsnormen erschwert werde.
  • Auch der Fachkräftemangel entpuppt sich in Deutschland zunehmend als Problem. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) stimmt zu, dass mehr Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften notwendig seien, zum Beispiel durch erleichterte Visa-Verfahren.
  • Weitere 35 Prozent der Befragten fordern einen besseren Zugang zu institutionellem Wachstumskapital. Vor allem in der Wachstumsphase mangele es demnach deutschen Unternehmen an Möglichkeiten, Investitionen von Geldgebern einzuwerben. So seien die Regeln für Wagniskapital im internationalen Vergleich sehr streng. Die Bitkom fordert hier auch ein stärkeres Engagement institutioneller Investoren.
Umfrageergebnis (Bild: Bitkom)
Zum Vergrößern Bild klicken. (Bild: Bitkom)

Fehlende Wertschätzung des Unternehmertums

Darüber hinaus beobachten die Gründer eine fehlende Wertschätzung ihres Unternehmertums. Nicht einmal die Hälfte der Befragten (41 Prozent) hat demnach das Gefühl, als Gründer in Deutschland Wertschätzung zu erfahren. 35 Prozent sagen umgekehrt, dass sie keine Wertschätzung wahrnehmen.

„Gründerinnen und Gründer sind Berufsoptimisten, ihre kritischen Einschätzungen zum Start-up-Standort Deutschland müssen aufhorchen lassen. Wir müssen in Deutschland Standortbedingungen schaffen, die jungen Tech-Unternehmen beste Wachstumsvoraussetzungen bieten “, kommentiert Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst die Ergebnisse.

Clark ist das einzige Insurtech unter den deutschen Unicorns

Beim Blick darauf, aus welchen Branchen die deutschen Einhörner kommen, fällt das Ergebnis für die Versicherungswirtschaft ernüchternd aus. Lediglich die Clark Holding SE kann demnach aktuell im Bereich „Insurance“ eine Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar erzielen.

Weitere fünf Unternehmen werden dem Bereich Fintech zugeordnet und beschäftigen sich folglich mit Finanzdienstleistungen und entsprechenden Services. Dazu zählen zum Beispiel die Taxfix SE, die Apps und Dienstleistungen rund um Steuerthemen anbietet, oder der Bankanbieter N26 AG.

Die Studie „Unicorn Report 2025“ kann auf der Webseite von Bitkom heruntergeladen werden.

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