9.4.2025 – Der Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und Union enthält viel Vorhersehbares und einiges Überraschendes und Ungeklärtes. CDU-Chef Friedrich Merz spricht von einem „starken Plan“.
Nachdem der letzte „große Brocken“, der Bereich Steuern und Finanzen, aus dem Weg geräumt wurde, haben am Mittwochnachmittag CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. CDU-Chef Friedrich Merz sprach auf der Pressekonferenz von einem „starken Plan“ und einem „kraftvollen Zeichen“ für Deutschland.
- Friedrich Merz (Bild: Tobias Koch)
Merz skizzierte die groben Striche und erwähnte dabei kurz die „Aktiv-Rente“. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ging nicht näher auf rentenpolitische Themen ein, sondern betonte nur kurz die Bedeutung von „sicheren Renten“. Im Vordergrund der Präsentation standen eher Themen wie Industriestrompreise, Steuererleichterungen, freiwilliger Wehrdienst und restriktivere Migrationspolitik.
Rentenniveau garantiert bei 48 Prozent bis 2031
Details zu den rentenpolitischen Plänen der voraussichtlichen Koalitionsparteien sind jedoch im 144-seitigen Entwurf zum Koalitionsvertrag nachzulesen. Das 144-seitige Papier trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“.
Darin kündigen die Parteien unter anderem an, das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 abzusichern. Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, sollen mit Steuermitteln ausgeglichen werden. Am Nachhaltigkeitsfaktor halte man grundsätzlich fest.
„Nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung ermöglichen es, dies dauerhaft zu finanzieren. Deshalb werden wir im Jahr 2029 im Hinblick auf diese Faktoren die tatsächliche Entwicklung des Beitrags und des Bundeszuschusses evaluieren, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen“, heißt es.
Bis zur Mitte der Legislatur werde man zudem in einer Rentenkommission „eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen“.
„Frühstart-Rente“ wird 2026 eingeführt
Bereits zum 1. Januar soll außerdem die „Frühstart-Rente“ eingeführt werden. Dann erhalten alle Kinder vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, die eine Bildungseinrichtung in Deutschland besuchen, monatlich zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot.
„Der in dieser Zeit angesparte Betrag kann anschließend ab dem 18. Lebensjahr bis zum Renteneintritt durch private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag weiter bespart werden“, ist nachzulesen.
Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein. Das Sparkapital soll vor staatlichem Zugriff geschützt sein und wird erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze ausgezahlt.
Die „Frühstart-Rente“ ist ein Projekt der Union, das bereits im Sondierungspapier (10.3.2025), zuletzt aber nicht mehr im Ergebnispapier der zuständigen Arbeitsgruppe (28.3.2025) vertreten war.
Wir werden die betriebliche Altersvorsorge digitalisieren, vereinfachen, transparenter machen und entbürokratisieren.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Entbürokratisierung der betrieblichen Altersversorgung
Überraschend war in den Koalitionsverhandlungen zunächst nichts zur zweiten Säule der Altersversorgung festgelegt worden, obwohl sowohl Union als auch SPD ähnlich lautende Formulierungen dazu in ihren Wahlprogrammen niedergeschrieben hatten.
Jetzt ist im Entwurf für den Koalitionsvertrag notiert: „Zusätzlich werden wir die betriebliche Altersversorgung stärken und deren Verbreitung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern weiter vorantreiben.
Die Geringverdienerförderung werden wir verbessern. Wir werden die betriebliche Altersvorsorge digitalisieren, vereinfachen, transparenter machen und entbürokratisieren. Die Portabilität der betrieblichen Altersvorsorge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel wollen wir erhöhen.“
Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Abschlagsfrei in Rente nach 45 Jahren, aber auch „Aktivrente“
Schwarz-Rot hat sich ferner darauf geeinigt, dass ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren auch künftig möglich bleiben soll. Dies war aufgrund des zuletzt stärker werdenden Drucks aus dem Unionslager nicht unbedingt zu erwarten.
Gleichzeitig schaffe man aber zusätzliche finanzielle Anreize, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohne, heißt es. Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters möchte man mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente.
„Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei“, wird berichtet. Die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber soll nach Erreichen der Regelaltersgrenze durch Aufhebung des Vorbeschäftigungsverbots erleichtert werden.
Hinzuverdienstmöglichkeiten sollen verbessert werden
Fehlanreize und Mitnahmeeffekte werde man vermeiden. „Wir prüfen dabei insbesondere die Nichtanwendbarkeit der Regelung bei Renteneintritten unterhalb der Altersgrenze für die Regelaltersrente, die Beschränkung der Regelung auf Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Progressionsvorbehalts“, heißt es.
Auch die „Aktiv-Rente“ ist ein Vorhaben der CDU, das nun um Aspekte aus dem SPD-Wahlprogramm ergänzt wird. So sollen auch die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente verbessert werden. „Wir prüfen, wie wir die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung im Alter verbessern“, ist notiert.
Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbstständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Selbstständige künftig in der gesetzlichen Rentenversicherung
Nicht überraschend sind die Aussagen zur Altersvorsorge von Selbstständigen. Beide Lager hatten zuvor eine bessere Absicherung gefordert. „Wir werden alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, gründerfreundlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen“, schreiben nun Union und SPD.
Und weiter: „Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbstständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.“
Ferner erhalten künftig alle Mütter drei Rentenpunkte, unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder. Die Finanzierung soll aus Steuermitteln erfolgen, „weil sie eine gesamtgesellschaftliche Leistung abbildet“.
Zudem möchte man eine Stabilisierung des Abgabesatzes der Künstlersozialversicherung erreichen. „Wir prüfen die Vereinfachung des Abgabeverfahrens, zum Beispiel durch Pauschalisierung. Die zunehmend digitale Verwertung von künstlerischen Werken muss der Künstlersozialabgabe unterliegen“, wird gefordert.
Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Kein Garantiezwang mehr bei Riester
Zur Riester-Rente ist zu lesen: „Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen, von bürokratischen Hemmnissen befreien und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren.“
Man prüfe eine Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten. „Wir wollen dieses neue Produkt mit einer möglichst einfachen staatlichen Förderung für Bezieherinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen begleiten. Kern der reformierten Riester-Rente wird ein Anlageprodukt sein, das es auch in Form eines Standardproduktes geben soll“, heißt es.
Bekenntnis zur honorar- und provisionsbasierten Finanzberatung
Die Passage aus dem Ergebnispapier der Arbeitsgruppe „Haushalt, Steuern, Finanzen“ zu Provisionen für Finanzberatung (28.3.2025) wurde unverändert übernommen.
„Die honorar- und provisionsbasierte Finanzberatung werden wir nebeneinander erhalten. Wir wollen prüfen, ob die Instrumente der Missstandsaufsicht der Bafin [Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht] derzeit ausreichen, um Fehlanreize in der Finanzberatung zu verhindern.“
Wir wollen, dass die Kommission die gesundheitspolitischen Vorhaben dieses Koalitionsvertrags in der Gesamtwirkung betrachtet.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Arbeitsgruppe soll gesundheitspolitische Vorhaben bis 2027 prüfen
Um den hohen Defiziten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) entgegenzuwirken, planen Union und SPD „strukturelle Anpassungen und kurzfristige Maßnahmen“, darunter die Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte.
Zudem soll eine Kommission unter Beteiligung von Experten und Sozialpartnern eingerichtet werden. „Wir wollen, dass die Kommission die gesundheitspolitischen Vorhaben dieses Koalitionsvertrags in der Gesamtwirkung betrachtet und bis zum Frühjahr 2027 Ableitungen trifft und konkrete weitere Maßnahmen vorschlägt“, schreiben die Parteien. Die private Krankenversicherung (PKV) wird nicht explizit erwähnt.
Außerdem soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände eine „große Pflege-Reform“ erarbeiten. Die Kommission soll ihre Ergebnisse noch 2025 vorlegen.
Elementarschadenabsicherung mit regulierten Bedingungen
Auch die Ausführungen der Arbeitsgruppe „Innen, Recht, Migration und Integration“ zur Elementarschadenversicherung (26.3.2025) haben unverändert Eingang in den Entwurf des Koalitionsvertrages gefunden.
Dort heißt es: „Wir führen ein, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird, und im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden.“
Dabei prüfe man, ob dieses Modell mit einer Opt-out-Lösung zu versehen sei. Um eine langfristige Rückversicherbarkeit sicherzustellen, führe man eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden ein. Die Versicherungsbedingungen werden weitgehend reguliert.
- Lars Klingbeil (Bild: Photothek Media Lab)
„Wir prüfen, wie Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei der Bauleitplanung in besonders schadensgefährdeten Gebieten sensibilisiert werden können, und konkretisieren die Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen. Die Belange der Mieterinnen und Mieter haben wir dabei im Blick“, wird berichtet.
Klingbeil wird voraussichtlich Finanzminister
Verschiedenen Medienberichten zufolge haben sich Union und SPD auch schon auf die Verteilung der Ministerien geeinigt. Die CDU erhält demnach neben dem künftigen Bundeskanzler und einem Kanzleramtschef im Rang eines Bundesministers sechs Ressorts. Die SPD bekommt sieben Ministerien und die CSU erhält drei Ministerien.
Über die Ressortzuschnitte hinaus sollen bereits Personalien feststehen. So soll laut Tagesschau24 Carsten Linnemann (CDU) das Wirtschaftsressort übernehmen, Tino Sorge (CDU) das Gesundheitsministerium. Lars Klingbeil (SPD) erhalte das Finanzministerium, Bärbel Bas (SPD) das Arbeitsministerium, wobei unklar sei, ob hier der Bereich Soziales verbleibe.