12.11.2025 – Das Beratungsunternehmen Mathconcepts geht in einer aktuellen Stellungnahme auf die geplanten Änderungen im Versicherungsvertragsrecht ein. Im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags sprach der von den Grünen als Sachverständiger benannte Axel Kleinlein von „hochproblematischen“ Vorschlägen, mit denen EU-Vorgaben aus Brüssel in deutsches Recht umgesetzt werden sollen.

- Axel Kleinlein (Screenshot: Deutscher Bundestag)
Axel Kleinlein warnt Deutschlands Parlamentarier vor „massiven Einschränkungen von Verbraucherrechten“. Denn der Versicherungsmathematiker hat nach eigenen Aussagen große Bedenken gegenüber einem aktuellen Reformplan der Bundesregierung.
Sachverständiger in einer Anhörung
Das hat der ehemalige Sprecher des Vorstands des Bundes der Versicherten e.V. (BdV) vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags betont. Dort war er am Montag als einer von sieben Sachverständigen zu einer öffentlichen Anhörung (Video) eingeladen.
Kleinlein war von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als externer Experte benannt worden. Konkret nahm er in der Sitzung Stellung zu einem Gesetzentwurf (PDF, 783 KB), mit dem unter anderem das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden soll.
Kunden sollen weiterhin alle Unterlagen erhalten können
Problematisch sei zum einen der Wegfall einer Vorschrift in § 7 VVG, wonach Kunden Details ihrer Policen beim Anbieter anfordern können:
Der Versicherungsnehmer kann während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Versicherer verlangen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einer Urkunde übermittelt; die Kosten für die erste Übermittlung hat der Versicherer zu tragen.
§ 7 Absatz 4 VVG
Laut Kleinlein ist es aber weiterhin wichtig, nachträglich alle Unterlagen erhalten zu können. Andernfalls drohe zukünftig, dass Verbraucher ihren Versicherungsschutz nicht mehr nachweisen könnten. Als Beispiel nennt er, dass die Verträge bei einem Wohnungsbrand zerstört werden.
Insbesondere in der Lebensversicherung seien Probleme absehbar, weil die oftmals über Jahrzehnte laufenden Verträge verlorengehen oder unlesbar werden könnten. Der Zugriff auf die vollständigen Vertragsunterlagen zur Altersvorsorge sei wichtig, etwa um Anpassungen vorzunehmen.
Widerrufsrecht könnte zeitlich eingeschränkt werden
Zum anderen sollen die Versicherer ihre Kunden zukünftig nur noch über die Möglichkeit eines Widerrufs informieren müssen – nicht aber auch über dessen Rechtsfolgen (VersicherungsJournal 4.9.2025). „Das ist hochproblematisch“, kommentiert Kleinlein.
Und bei fehlerhaften oder falschen Widerrufsbelehrungen müssen die Versicherungsunternehmen heute mit einem „ewigen Widerrufsrecht“ rechnen (30.7.2025). Zukünftig soll dieses in § 8 VVG geregelte Recht auf 24 Monate und 14 Tage eingeschränkt werden (16.7.2025).
„Ein Unding“, schimpft Kleinlein. „Die Regelungen seit 2008 haben sich bewährt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine nachweislich erfolgreiche Regelung nun massiv zu Lasten der Verbraucher eingeschränkt werden soll.“
Hinweise müssen nicht mehr „deutlich gestaltet“ sein
Des Weiteren kritisiert der Betreiber des Beratungsbüros Mathconcepts Kleinlein in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzesvorhaben (PDF, 216 KB), dass die neuen Hinweise zukünftig nicht mehr „deutlich gestaltet“ werden müssen.
„Die vorliegende Formulierung erlaubt es Versicherungsunternehmen, die Belehrung so unscheinbar zu gestalten, dass der Verbraucher sie nicht wahrnimmt“, schreibt Kleinlein. „Dies ist insbesondere auch daher sehr problematisch, da die Vertragsunterlagen im Verlauf der letzten Jahre einen überdimensionierten Umfang angenommen haben.“
Die Kritik der Versicherungswirtschaft, dass dies die Folge zunehmender Bürokratieverpflichtungen sei, weist er zurück. Die Unterlagen würden vielmehr von den Anbietern künstlich aufgebläht. „Damit der Verbraucher eine Chance hat, die Widerspruchsbelehrung zu würdigen, sollte weiterhin gefordert werden, dass die Belehrung ‚deutlich gestaltet‘ ist.“
Axel Kleinlein kritisiert „Angriff auf Verbraucherrechte“
„Ich habe in den letzten 25 Jahren keinen derartigen Angriff auf Verbraucherrechte erlebt“, fasst Kleinlein seine Kritik in gewohnt drastische Worte. Auch den Versicherungsvertrieb begleitet er seit Jahren kritisch und prangert beispielsweise „überhöhte Provisionszahlungen“ an (30.7.2024).
In seiner aktuellen Stellungnahme räumt der Verbraucherschützer zwar ein, dass „die europarechtlichen Vorgaben zu erfüllen und für den Fernabsatz die Widerrufsregelungen entsprechend anzupassen“ (13.5.2022) sind. Doch es sei nicht sachgerecht, dass für den stationären Vertrieb von Policen die gleichen Vorgaben gelten sollten.
„Die Lebenswirklichkeit zeigt deutliche Unterschiede zwischen Fernabsatz und stationärem Handel, die damit auch unterschiedlicher Regelungen bedürfen“, erklärt Kleinlein. „Versicherungsverträge – insbesondere solche für die Altersvorsorge – werden üblicherweise selten ‚gekauft‘ und meistens ‚verkauft‘.“
Fernabsatz und stationären Verkauf unterschiedlich regeln
„Beim ‚Kauf‘ entscheidet sich der Verbraucher nach eigener Recherche bewusst für ein bestimmtes Produkt“, führt Kleinlein aus. „Er hat sich eingehend mit seiner eigenen wirtschaftlichen Situation auseinandergesetzt und hat den Bedarf eingehend geprüft.“
Dem setzt er entgegen: „Beim ‚Verkauf‘ versucht ein Vermittler, den Verbraucher zum Vertragsabschluss zu bewegen.“ Zwar hätten manche Vermittler dabei nur das Wohl des Kunden im Blick, andere jedoch einen stärkeren Fokus auf die mit dem Abschluss verbundene Provision.
„Die Gefahr eines Interessenkonfliktes besteht beim ‚Verkauf‘ recht deutlich“, steht für ihn fest. Deshalb bestehe hier ein höheres Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Fernabsatz und stationärer Verkauf sollten als ungleiche Sachverhalte vom Gesetzgeber unterschiedlich geregelt werden.



