2.6.2025 – Weist ein mobiles Straßenschild eine Schrägstellung auf, so bedeutet das auch bei stürmischen Bedingungen nicht, dass damit die Verkehrssicherungspflicht verletzt werde. Auch muss bei Windstärke acht nicht täglich geschaut werden, ob ein Schild stabil genug dasteht. Dies hat das Landgericht Lübeck mit einem rechtskräftigen Urteil bestätigt.
Eine Frau hatte einen geleasten Volvo über die Osterfeiertage an einer Lübecker Straße abgestellt. An der Stelle führte eine Baufirma im Auftrag der Stadt Kabelarbeiten durch.
Am Ostermontag bemerkte sie, dass das Schild auf ihren PKW gefallen war. Dabei wurden Motorhaube, Seitenspiegel und Kotflügel beschädigt. Die Reparaturkosten bezifferten sich auf rund 4.153 Euro. An dem Tag herrschte Windstärke acht.
Mobiles Schild war besser gesichert als innerorts vorgeschrieben
Befestigt war das Schild mit vier Fußplatten, die ein Gewicht von 30 Kilogramm hatten. Damit konnte das Schild eine Windlast von 0,48 Kilonewton pro Quadratmeter standhalten – das entspricht etwa 48 Kilogramm Druck auf einen Quadratmeter Fläche.
Damit war das Schild besser gesichert, als es die entsprechende Verordnung ZTV-SA 97, die das Bundesverkehrsministerium 1997 herausgegeben hatte, für Schilder innerorts vorschreibt. Demnach müssen Schilder mindestens einer Windlast von 25 Kilonewton standhalten.
Frau klagt wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Trotz der vergleichsweise stabilen Sicherung verklagte die Frau die Stadt auf Schadenersatz. Sie warf ihr dabei eine Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB vor und führte drei Gründe dafür an:
- Das Straßenbauunternehmen habe das Schild offensichtlich nicht gut genug gesichert und dadurch seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Ein Grund hierfür sei, dass das Schild eine leichte Schrägstellung in Richtung des Autos aufwies. Dies habe einen Sturz auf das Fahrzeug begünstigt.
- Die Stadt habe ihre Kontrollpflicht verletzt. Demnach hätte sie aufgrund der stürmischen Verhältnisse täglich oder zumindest alle zwei Tage überprüfen müssen, ob das Schild noch stabil steht.
- Das Schild hätte bei derartigen Windverhältnissen angekettet oder fest im Boden verankert werden müssen, um einen Sturz zu verhindern. Dies sei nicht erfolgt.
Landgericht Lübeck verneint, dass Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde
Das Landgericht Lübeck verneinte, dass die Frau Anrecht auf Schadenersatz hat. Nachdem ein Sachverständiger angehört und Zeugen befragt wurden, wies das Gericht die Klage mit Urteil vom 29. Juni 2023 (9 O 40/22) ab.
Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch das Bauunternehmen konnte das Gericht demnach nicht erkennen, da es die Vorgaben zur Standsicherheit mobiler Verkehrsschilder nicht nur eingehalten, sondern sogar ein darüber hinausgehendes Risiko abgedeckt hatte. Dabei müssten die Aspekte Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität berücksichtigt werden, hob die 9. Zivilkammer hervor.
Hierzu heißt es im Urteilstext: „Da in den hiesigen Breitengraden die Windstärke 8 nur sehr selten überschritten wird und unstreitig durch stärkere Windeinwirkung verursachte Schäden durch eine Teilkaskoversicherung abgedeckt werden können, muss es grundsätzlich als ausreichend angesehen werden, wenn die Beklagte mobile Verkehrsschilder verwendet, die bis Windstärke 8 sturmsicher sind“. Diese Vorgabe habe die Sicherung des Schildes erfüllt.
Schrägstellung des Schildes ist von Sicherungspflicht gedeckt
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege auch bei einer Schrägstellung des Verkehrsschildes nicht vor, führte das Gericht weiter aus. Im Gegenteil: Durch die Neigung werde die Windangriffsfläche – und damit der auf das Schild wirkende Winddruck – in der Regel verringert.
Zudem seien insbesondere mobile Verkehrsschilder konstruktiv so ausgelegt, dass sie auch auf Baustellen eingesetzt werden und eine gewisse Schrägstellung problemlos standhalten könnten.
Mobile Schilder müssen nicht im Boden verankert oder angekettet werden
Auch die Auffassung, das mobile Schild hätte im Boden verankert oder angekettet sein müssen, teilte das Gericht nicht. Ein solcher Aufwand überschreite den Rahmen des Zumutbaren, der dem Verkehrssicherungspflichtigen abverlangt werden könne.
„Es wäre eine Überforderung, würde man für mobile Verkehrsschilder, die beispielsweise nur für wenige Tage aufgestellt werden müssen, verlangen, dass diese fest eingebaut werden müssen. In der Regel käme dann nur ein Einmauern oder eine sehr tiefe Gründung in der Erde in Betracht. Das erscheint unverhältnismäßig im Verhältnis zu dem erreichten Effekt“, führt das Gericht aus.
Ähnlich argumentierte das Gericht mit Bezug auf das Anketten – dies würde das Vorhandensein eines festen Gegenstandes erfordern, was bei vielen Standplätzen, in denen ein mobiles Schild vorgeschrieben ist, nicht gegeben sei.
Stadt hat keine Pflicht zur täglichen Kontrolle
Zuletzt verneinte das Gericht noch das Argument, die Stadt oder die beauftragte Baufirma hätte gemäß ihrer Kontrollpflicht täglich nachprüfen müssen, ob das Schild noch stabil stünde.
„Eine derart zeitlich engmaschige Kontrollpflicht traf die Streithelferin mangels Zumutbarkeit nicht. Angesichts der eingangs dargestellten Grundsätze zur Verkehrssicherung wäre gegebenenfalls eine wöchentliche Kontrolle zu fordern, diese aber auch ausreichend gewesen“, hob die Kammer mit Verweis auf frühere Urteile hervor.
„Vorliegend war der Schaden indessen bereits vier Tage nach der Aufstellung des Schildes eingetreten, sodass er durch die vorgeschriebene Kontrolle nicht hätte verhindert werden können“, betonte das Gericht.
Für die Beschädigung am Auto vermutete das Gericht andere Gründe. Ein Zeuge habe überzeugend berichtet, dass es in der Straße häufig Vandalismus und abgetretene Briefkästen gebe. Demnach sei das Umfallen des Schildes nicht auf den Sturm zurückzuführen, da es stabil genug aufgestellt gewesen sei.