15.4.2025 – Sinken die Kurse von Wertpapieren unter ihren Bilanzwert, liegt eine stille Last vor. So sind bei den Versicherern durch den Zinsanstieg seit Juli 2022 bei festverzinslichen Anlagen Bewertungsreserven abgeschmolzen und es haben sich stille Lasten aufgebaut. Sie sollen Ende 2023 rund 75 Milliarden Euro betragen haben. Laut DFSI haben die Lebensversicherer Cosmos, Gothaer, Württembergische, LVM und LPV stille Lasten von 16 bis knapp 25 Prozent.
Eine stille Last liegt vor, wenn ein Unternehmen in seiner Bilanz die vorhandenen Aktiva überbewertet oder die Passiva unterbewertet. Das führt dazu, dass das ausgewiesene Eigenkapital zu hoch ist. In Krisenzeiten kann dies existenzbedrohend sein.
Das Gegenteil sind stille Reserven. Hier sind Aktiva niedriger angesetzt als der aktuelle Wert und Passiva, wie beispielsweise Rückstellungen, höher als erforderlich. Der Unterschied kann durch Wertsteigerungen, zu hohe Abschreibungen oder aus übertriebener Vorsicht entstehen.
Beispiele für stille Lasten und stille Reserven
Grundstücke oder Gebäude: Ein Unternehmen hat vor 20 Jahren ein Bürogebäude für eine Million Euro erworben. Heute wird der Wert auf 1,5 Millionen Euro taxiert. Stehen unverändert eine Million Euro in der Bilanz, hat der Preisanstieg zu einer stillen Reserve von 0,5 Millionen geführt. Nach umfangreichen Renovierungen erhöht sich der Bilanzwert auf 1,8 Millionen Euro, das bedeutet 0,3 Millionen stille Lasten.
Aktien: In der Bilanz 2024 weist ein Unternehmen einen Aktienbesitz im Wert von zehn Millionen Euro aus. Durch Kursrückgänge haben Aktien im Schnitt zehn Prozent verloren. Damit ist eine stille Last von einer Million Euro entstanden. Beträgt der Kursanstieg 20 Prozent, verfügt man über zwei Millionen Euro stille Reserven.
Festverzinsliche Wertpapiere: Wenn die Zinsen sinken, gewinnen höherverzinsliche Papiere an Wert (stille Reserve). Steigen die Zinsen dagegen, gehen die Kurse für vorhandene Papiere, die unter dem neuen Niveau verzinst werden, zurück (stille Last). Wer verkauft, realisiert den Gewinn beziehungsweise den Verlust. Wer die Papiere bis zur Endfälligkeit hält, löst den Unterschiedsbetrag automatisch auf.
Bafin hat die Risiken im Fokus
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat den signifikanten Zinsanstieg seit Juli 2022 und die Folgen für die von ihr beaufsichtigten Institute analysiert. In „Risiken im Fokus 2024“ (VersicherungsJournal 24.1.2024) gibt sie Entwarnung. Die höheren Zinsen hätten die wirtschaftliche Lage der Lebensversicherer und Pensionskassen kurz- und langfristig verbessert.
Sie konnten ihren kurzfristigen Abschreibungsbedarf über außerordentliche Kapitalanlageerträge und die Auflösung der Zinszusatzreserve ausgleichen. Mittel- und langfristig sei die Neu- und Wiederanlage wieder ertragreicher. Lebensversicherer konnten so ihre Risikotragfähigkeit nach Solvency II stärken.
Die Marktwertänderungen bei festverzinslichen Anlagen führten allerdings zum Abschmelzen von Bewertungsreserven und zum Aufbau stiller Lasten. Dies gelte insbesondere für Lebensversicherer.
„Dies engt den Handlungsspielraum der Versicherer bei der Kapitalanlage ein, ist aber nicht ergebniswirksam, sofern die Kursverluste der Wertpapiere zinsbedingt sind und die Unternehmen die Kapitalanlage bis zur Endfälligkeit halten“, so die Behörde.
WWK, Hannoversche und LV1871 haben stille Reserven aufgebaut
Die „Unternehmensqualität der Lebensversicherer 2024/25“ hat die DFSI Deutsches Finanz-Service Institut GmbH, ein Dateninstitut, untersucht (23.10.2024). Danach sollen die stillen Lasten Ende 2023 rund 75 Milliarden Euro betragen haben. Sie seien allerdings in der Branche ungleich verteilt.
Laut DFSI gibt es mit Cosmos Lebensversicherungs-AG, Gothaer Lebensversicherung AG, Württembergische Lebensversicherung AG, LVM Lebensversicherungs-AG und LPV Lebensversicherung AG (vormals PB Leben) fünf Versicherer, die, gemessen an den Deckungsrückstellungen, stille Lasten von 16 bis knapp 25 Prozent zu schultern haben.
Andererseits gibt es mit WWK Lebensversicherung a.G., Hannoversche Lebensversicherung AG, und Lebensversicherung von 1871 a.G. München inzwischen drei Anbieter, die schon wieder stille Reserven aufbauen konnten.
Die Empfehlung ist zeitlos: Angesichts dieser Situation sollten Neukunden beim Abschluss ihrer Police gezielt auf Anbieter setzen, die auch in den derzeitigen Turbulenzen gut dastehen und ein zukunftssicheres Geschäftsmodell vorweisen können. Aber auch für alle, die bereits eine Lebensversicherungs- oder Rentenpolice haben, sollte die Zukunftsfestigkeit ihres Versicherers höchste Priorität haben.