Kein Ganzkörperanzug: Gelähmte Frau scheitert mit Klage gegen Krankenkasse

23.9.2025 – Zwei Sozialgerichte in Sachsen haben die Klagen einer Patientin abgewiesen, die bei ihrem gesetzlichen Krankenversicherer beantragt hat, die Kosten für einen Neurostimulationsanzug zu übernehmen. Die Richter verweisen darauf, dass sie der Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht vorgreifen dürften. Hiervon unabhängig können Privatpatienten schneller an medizinischen Fortschritten teilhaben.

Ein gesetzlicher Krankenversicherer muss nicht für einen Ganzkörper-Neurostimulationsanzug aufkommen. Ein entsprechendes Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. September 2024 (S 15 KR 28/24) hat das Sächsische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 23. Juli 2025 (L 1 KR 151/24) bestätigt.

Geklagt hatte in dem Fall eine 1971 geborene Frau, die unter einer spastischen Lähmung leidet. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie der Pflegegrad drei festgestellt worden. Sie kann kurze Strecken per Rollator zurücklegen und nutzt für weitere einen Rollstuhl mit Elektroantrieb.

Hilfsmittel im Wert von rund 8.500 Euro bei der Krankenkasse beantragt

Eine Fachärztin für Neurologie und Naturheilkunde verordnete ihr im Januar 2023 einen „elektrischen Neurostimulations-Ganzkörper-Anzug“. Unter Vorlage dieser Verordnung reichte die Patientin einen Kostenvoranschlag für das Hilfsmittel in Höhe von 8.539,79 Euro bei ihrer Krankenkasse ein.

Der Anzug dient nach Herstellerangaben dazu, spastische Muskeln zu entspannen und zu aktivieren, die lokale Durchblutung zu verbessern und Schmerzen zu lindern. Angewendet wird er unter anderem bei neurologischen Leiden wie Cerebralparese (CP), Multipler Sklerose (MS) oder Schlaganfall.

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Therapeutischer Nutzen ist nicht nachgewiesen

Doch die Körperschaft des öffentlichen Rechts lehnte den Antrag im Februar 2023 ab, weil der therapeutische Nutzen dieses neuartigen Produkts bisher nicht nachgewiesen sei. Alternativ empfahl ihr der Versicherer funktionelle Elektrostimulation, Physiotherapie sowie Hausübungen.

Dagegen erhob die Kundin Widerspruch, denn nach einem einstündigen Test des Anzugs „Exopulse Mollii Suit“ seien ihre schmerzhaften Spasmen deutlich zurückgegangen. Sie konnte demnach eine weitere Strecke schneller und sicherer bewältigen und musste sich nicht mehr verkrampft festhalten.

Auch die Feinmotorik habe sich so sehr verbessert, dass sie mit ihrer stark eingeschränkten rechten Hand einen Stift halten und einen Becher gezielt zum Mund führen konnte. Außerdem habe sie eine entspanntere Muskulatur erlebt und für eine gewisse Zeit Leichtigkeit in den Muskeln verspürt.

Neurostimulationsanzug vom G-BA nicht anerkannt

Die Krankenkasse wies den Widerspruch zurück, denn es handele sich nicht um ein dauerhaft einzusetzendes Hilfsmittel im Sinne eines Behinderungsausgleiches. Stattdessen komme es vielmehr im Rahmen der Krankenbehandlung zum Einsatz.

Das Hilfsmittel sei untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode verbunden, so der Versicherer weiter. Bewertungsverfahren nach § 135 (SGB V) beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) seien nicht bekannt. Ein notstandsähnlicher Zustand nach § 2 SGB V liege nicht vor.

Dieser Argumentation folgten die Richter in der ersten Instanz und wiesen die Klage ab. Sowohl laut dem Hersteller als auch der Patientin ersetzt der Anzug keine beeinträchtigten Körperfunktionen. Vielmehr sei er Teil einer Behandlung, für die keine positive Empfehlung des G-BA vorliege.

Ähnlich hat auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem Beschluss vom 14. Mai 2025 (L 16 KR 315/24) entschieden. Die Richter in Celle wiesen damit die Berufung gegen ein vorinstanzliches Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Juni 2024 (S 38 KR 174/23) zurück.

Kostenerstattung in der PKV je nach Tarif möglich

Nach den Regeln für die Kostenübernahme für Privatpatienten fragte das VersicherungsJournal beim Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) an. Eine abschließende Antwort könne man auf diese Frage nicht geben, erklärte hierzu ein Sprecher des Verbands (VersicherungsJournal 21.5.2025).

„Die Kostenerstattung in der PKV hängt grundsätzlich immer von der medizinischen Notwendigkeit und von den im individuellen Tarif vereinbarten Leistungen ab“, so der Verbandssprecher weiter. Im Fall des Anzugs hänge eine mögliche Kostenerstattung vom jeweiligen Hilfsmittelverzeichnis ab.

Betroffene Privatversicherte sollten daher zunächst einen Blick in die Vertragsbedingungen ihres Tarifs werfen. Falls dort nicht einzelne Hilfsmittel in einem geschlossenen Katalog aufgelistet sind, sollten sie eine mögliche Kostenerstattung direkt mit ihrem Versicherer abklären.

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