19.6.2025 – Das Landgericht Oldenburg entschied, dass eine Wohngebäudeversicherung, die die Aufräumkosten für durch Sturm umgestürzte Bäume mitversichert, nicht für das Fällen und den Abtransport aufkommen muss, wenn vom Baum nur Teile abgebrochen sind. Auch die Sachverständigenkosten zur Bewertung der Standfestigkeit des Baumes und die Kosten für die Baumentfernung im Rahmen einer präventiven Rettungsmaßnahme sind in dem Fall nicht vom Versicherer zu tragen.
Die Eigentümer eines Wohngebäudes hatten eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen, bei der die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2014) zugrunde liegen. Zusätzlich wurde vertraglich vereinbart, dass die notwendigen Kosten für das Entfernen durch Sturm oder Blitz umgestürzter Bäume vom Versicherungsgrundstück vom Versicherer übernommen werden. Abgebrochene Äste fallen laut Vereinbarung nicht unter den Versicherungsschutz.
Durch einen Sturm brachen bei einer über 20 Meter hohen Rosskastanie auf dem Versicherungsgrundstück rund die Hälfte der Baumkrone sowie zwei große Teile des Stammes ab. Der restliche noch stehende Baum sollte laut einem von den Immobilieninhabern hinzugezogenen Baumsachverständigen wegen Sicherheitsbedenken beseitigt werden.
Daraufhin ließen die Hausbesitzer den verbleibenden Teil des Baumes fällen und die Baumreste entfernen. Sie forderten vom Versicherer, die Gutachtens- und Entfernungskosten in Höhe von über 8.000 Euro zu übernehmen. Doch dieser verweigerte eine Kostenübernahme mit dem Hinweis, dass es sich nicht um einen versicherten Schaden handelte. Die Versicherungsnehmer verklagten daraufhin die Versicherung.
Was umstürzen im Detail bedeutet
Das Landgericht (LG) Oldenburg wies mit dem Urteil vom 30. September 2024 (13 O 671/24) jedoch deren Klage vollumfänglich ab. Entscheidend war dabei die Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen bezüglich der Regelung zu den versicherten Aufräumungskosten von Bäumen. Laut Vertrag sind nur die Kosten für das Entfernen durch Sturm umgestürzter Bäume, nicht jedoch abgebrochener Äste oder bereits abgestorbener Bäume, versichert.
Das Gericht verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IV ZR 159/18) vom 20.11.2019. Danach sind dem Vertrag zugrunde liegende Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungskunde ohne besondere Fachkenntnisse bei sorgfältigem Lesen und gesundem Menschenverstand auffassen würde.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird das „Umstürzen“ als „zu Boden oder zur Seite stürzen“, als „umfallen“ oder „aus einer aufrechten, senkrechten Stellung heraus zur Seite fallen“ ausgelegt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer versteht demnach unter einem umgestürzten Baum einen, der komplett seitlich zu Boden gefallen ist, weil er ganz oder weitgehend entwurzelt wurde.
Andere Beschädigungen eines Baumes wie das Abknicken oder Abbrechen einer Baumkrone sind laut der aktuell geltenden Rechtsprechung nicht mit dem Umstürzen eines Baums gleichzusetzen, wenn der wesentliche Teil des Baumstamms stehen bleibt, wie aus dem LG-Urteil hervorgeht. Im vorliegenden Fall ist der Baum jedoch nur teilweise abgebrochen. Da wesentliche Teile des Baumes und des Stammes stehen geblieben sind, liegt hier kein versicherter Umsturz des Baumes vor.
Keine Rettungskosten
Die Gebäudeinhaber konnten laut der LG-Entscheidung die Kosten für das Baumfällen und den Abtransport auch nicht als sogenannte Rettungskosten nach § 90 VVG geltend machen. Denn die Aufwendungen waren nicht erforderlich, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall im Sinne von § 90 VVG abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern.
Der Gutachter empfahl zwar eine zeitnahe Fällung des Baumes, möglichst binnen einer Woche, ein sofortiges Handeln wurde jedoch nicht gefordert. Er begründete dies mit den möglichen weiteren Abbrüchen aufgrund der zu erwartenden schleichenden Fäulnis am Baumstamm aufgrund der ungeschützten Schadstellen. Baumabbrüche oder -umstürze aufgrund von Fäulnis sind jedoch keine versicherten Schäden.
Zwar kann ein Versicherungsfall auch durch eine drohende Sturmeinwirkung auf einen instabilen Baum entstehen, aus dem Gutachten lässt sich laut LG jedoch nicht ableiten, dass ein Versicherungsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstand. Jedenfalls war nicht zu erwarten, dass ohne sofortige Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit ein versicherter Schaden eingetreten wäre.
Es handelt sich laut dem Urteil hier vielmehr um allgemeine Schadensverhütungskosten, die der Versicherungsnehmer selbst zu tragen hat, und nicht um Rettungskosten, die vom Versicherer zu ersetzen sind.
Gutachterkosten nicht erstattungsfähig
Auch die Kosten für das eingeholte Baumgutachten in Höhe von rund 300 Euro sind laut LG nicht als Schadensermittlungskosten nach § 85 VVG vom Versicherer zu tragen. Die Begründung: Zum einen liegt kein versicherter Schaden vor, zum anderen war der VN weder vom Versicherer aufgefordert worden noch lag eine vertragliche Pflicht zur Beauftragung eines Gutachters vor.
Das Urteil verdeutlicht, dass es auf jedes Detail in den Vertragsvereinbarungen ankommt, inwieweit ein Versicherungsfall vorliegt oder nicht.
In manchen Wohngebäudeversicherungstarifen gibt es mittlerweile Regelungen, die nicht nur die Aufräumkosten für die durch Sturm umgestürzten, sondern auch von sturmbedingt abgeknickten oder beschädigten Bäumen übernehmen, sofern eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist.