Zoff um Rentenpaket und Beitragsbemessungsgrenzen: Bei der FDP springt die Ampel auf Rot

27.9.2024 – Teile der Liberalen halten das Rentenpaket II für nicht „zustimmungsfähig“. Unterdessen stoppt FDP-Chef Christian Lindner den vom SPD-geführten Arbeitsministerium vorgelegten Entwurf zur Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen.

Unmittelbar vor dem Start der Beratungen im Deutschen Bundestag stellt die FDP das Rentenpaket II wieder in Frage. „So ist das Rentenpaket im Parlament noch nicht zustimmungsfähig“, sagte Johannes Vogel, stellvertretender Bundesvorsitzender der Liberalen und erster parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, am Donnerstag in einem Interview mit Bild.de.

Hubertus Heil (Bild: Brüss)
Hubertus Heil (Bild: Brüss)

Das Rentenpaket von Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) lasse die Beiträge für die arbeitende Mitte immer weiter steigen.

Diese Gruppe brauche aber mehr Geld in der Tasche und nicht weniger, so Vogel. Andere Länder wie Schweden machten mit mehr Aktien vor, wie es besser gehe.

Rentenpaket II umfasst zwei Reformvorhaben

Die Regierungsparteien, darunter die FDP, hatten sich nach einer monatelangen Hängepartie Ende Mai auf das „Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz“, kurz Rentenpaket II, geeinigt (VersicherungsJournal 30.5.2024).

Kerngedanken des Papiers sind die Einführung eines Generationenkapitals und die Festschreibung des Rentenniveaus von 48 Prozent bis zum 30. Juni 2040. Beide Vorhaben wurden bereits im Vorfeld vielfach diskutiert und teils scharf kritisiert (19.3.2024, 6.3.2024, 17.8.2023, 9.8.2023).

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Bundesrechnungshof kritisiert Mehrkosten

Auch nach der Beschlussfassung hagelte es weiter Kritik (6.3.2024) – selbst von prominenter Seite. So warnte der Bundesrechnungshof in einem Gutachten, aus dem Spiegel.de kürzlich zitierte, das Vorhaben habe „enorme Ausgabensteigerungen der Rentenversicherung zur Folge“. Bis zum Jahr 2045 summierten sich diese auf 507 Milliarden Euro. Das jährliche Plus betrage 25 Milliarden Euro.

Auslöser sei vor allem die Fixierung des Rentenniveaus. Der Aufbau des schuldenfinanzierten Generationenkapitals verspreche nur eine geringe Entlastung, zumal hier stets ein Risiko des Wertverlustes bestehe.

Wegen der Mehrausgaben werde zudem der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent ab 2028 auf 22,3 Prozent bis 2045 steigen. Dies hatte auch die Bundesregierung ausgerechnet und den Anstieg für hinnehmbar erklärt. Die Fortgeltung der Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent führe zu einer „stärkeren, aber vertretbaren Erhöhung des Beitragssatzes“, hieß es (27.8.2024).

Der Bundesrechnungshof teilt diese Einschätzung nicht. Das Gesetz begünstige ältere und mittlere Generationen, weil ihre Renten höher ausfielen. Junge und künftige Generationen würden hingegen belastet, wurde das unabhängige Organ der Finanzkontrolle von Spiegel.de zitiert.

Länder sorgen sich um Belastung der jüngeren Generation

Der Bundesrat, der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Entwurf Stellung genommen hatte, sparte ebenfalls nicht mit Kritik (27.8.2024). Die Länder halten das Papier für nicht ausreichend, um „die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung vor dem Hintergrund der demografischen Veränderung nachhaltig durch eine generationengerechte Lastenverteilung zu sichern“.

Es bestehe „die große Sorge, dass eine Überforderung der jüngeren Generation durch einen stetigen Anstieg der Beiträge zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme eintreten wird“, hieß es. Gefordert wurde unter anderem die Einführung einer Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit für alle neuen Selbstständigen und die Stärkung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge.

Liberale bringen Rentenpaket III ins Spiel

Auch Teile der FDP schienen mit dem Papier nicht zufrieden zu sein (Medienspiegel 9.9.2024). In den vergangenen Wochen stellte die Partei schließlich Pläne für ein Rentenpaket III vor. Dieses soll die Einführung eines persönlichen Altersvorsorgedepots und „Riester-Nachfolgeprodukte“ mit Beitragserhaltungsgarantie für sicherheitsorientierte Verbraucher enthalten (28.8.2024, 4.7.2024).

Bis zu 600 Euro im Jahr soll der Staat allen schenken, die einen ETF besparen. „Lindners neuer Rentenplan macht alle Deutschen zu Millionären“ (Medienspiegel 16.9.2024) titelte daraufhin das eine oder andere Medium. Bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass dazu über 40 Jahre jeden Monat 250 Euro anzulegen sind – und die Aktienmärkte gut laufen müssen.

Lindner stoppt Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen

Christian Lindner (Archivbild: Brüss)
Christian Lindner (Archivbild: Brüss)

Und auch bei einem weiteren Vorhaben treten die Liberalen offensichtlich auf die Bremse beziehungsweise veranlassen sogar eine Vollbremsung.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) blockiere die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung, berichtete ebenfalls am Donnerstag das Handelsblatt in seiner Online-Ausgabe.

Das Finanzministerium habe die entsprechende Verordnung vorerst gestoppt, hieß es. Es liefen nun Gespräche in der Bundesregierung über das weitere Vorgehen, will man aus Regierungskreisen erfahren haben.

Erhöhung so stark wie selten zuvor

Heil hatte vor knapp zwei Wochen einen Verordnungsentwurf für 2025 vorgelegt (13.9.2024). Dieser sieht vor, die Sozialversicherungsgrenzwerte so stark an wie selten zuvor anzuheben.

Demnach sollen die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung auf erstmals bundeseinheitlich jährlich 96.600 Euro steigen. Für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) soll eine Grenze von 66.150 Euro im Jahr gelten, die Versicherungspflichtgrenze soll auf 73.800 Euro wachsen.

Widerspruch zum Wachstumspaket

Diese Mehrbelastung vor allem für Gutverdiener will Lindner offenbar verhindern oder zumindest abmildern, schreibt das Blatt. Mit dem vom Arbeitsministerium vorgelegten Entwurf „würden die entlastenden Effekte der Maßnahmen der Wachstumsinitiative konterkariert werden“, wird aus einem Schreiben des Finanzministeriums zitiert, das der Redaktion vorliegen soll.

Darüber hinaus störe sich das Finanzministerium grundsätzlich an den Berechnungsmethoden und fordere nun, dass die „Fortschreibungssysteme“ für den Ausgleich der kalten Progression und für die Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen „konsistent zueinander ausgerichtet werden“.

„Während die Beitragsbemessungsgrenzen nach der bisherigen gesetzlichen Regelung jährlich anzupassen sind (technisch über eine Rechtsverordnung), besteht für den Ausgleich der kalten Progression kein Automatismus“, wird aus dem Papier des Finanzministeriums zitiert.

Wenn die Beitragsbemessungsgrenzen jährlich kletterten, dann müsse das auch für den Ausgleich bei der kalten Progression gelten. Folgerichtig sei ein gesetzlich verankerter grundsätzlicher Automatismus.

Der Finanzminister sieht Redebedarf

Bei der Regierungsbefragung des Bundestages Mitte dieser Woche deutete Lindner sein Veto gegen die vom Arbeitsministerium vorgelegte Verordnung an. „Die Gefahr besteht, dass diese Entlastung durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in die Sozialversicherungen umgeleitet wird und der von uns beabsichtigte Kaufkrafteffekt nicht erfolgt“, sagte er.

„Deshalb wird innerhalb der Bundesregierung gegenwärtig über die Verfahren ‚Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, Automatismus auf der Basis der Lohnentwicklung‘ und ‚kalte Progression, kein gesetzlicher Automatismus und auf der Basis der Inflation‘ gesprochen.

Wir müssen darüber sprechen, inwieweit von den Rechengrundlagen als auch vom Verfahren eine Synchronisierung erforderlich ist“, so der FDP-Politiker.

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