„Versicherer, seid mutig: Was ihr von Banken und Fintechs lernen könnt.“

16.4.2025 – Die meisten Versicherer haben nicht zu wenig Geld oder Daten – beim Thema IT haben sie zu viele interne Hürden, schreibt Dr. Robin Kiera in seinem Gastbeitrag. Der Digitalisierungsexperte berichtet über eine jüngst in Berlin stattgefundene Fintech-Messe. Hier kann man lernen, wie weit die Finanzbranche bereits in der KI-Anwendung und Datenverarbeitung ist.

„Wir müssen Daten und künstliche Intelligenz ernst nehmen.“ – Dieser Satz ist auf Konferenzen mittlerweile Standard. Eine Floskel, oft gesprochen mit der gleichen Energie, mit der man sagt: „Wir müssen mal wieder den Datenschutz aktualisieren.“

Aber auf der FIBE Fintech Berlin 2025, die Anfang April in der Hauptstadt stattgefunden hat, war es anders. Dort ging es nicht um Zukunftsprosa – sondern um konkrete, funktionierende KI-Anwendungen im Alltag. Und das war für einige wenige Versicherungsmanager, die sich auf das Banking-Event verirrt hatten, ein Schock.

Banxware: Kreditentscheidungen in Lichtgeschwindigkeit

Nehmen wir die Banxware GmbH als Beispiel. Dieses Unternehmen ermöglicht es, Geschäftskunden blitzschnelle Finanzierungslösungen anzubieten. Dank der Nutzung von PSD2-Schnittstellen, Echtzeit-Plattformdaten und KI-gestützten Risikomodellen trifft Banxware Kreditentscheidungen in Rekordzeit.

Mandya Aziz, Chief Commercial Officer von Banxware, sagte dazu: „Bei uns dauert ein Kreditantrag fünf bis zehn Minuten und eine Kreditentscheidung einen Tag – bis zu einer Summe von 250.000 Euro. Für Summen bis fünf Millionen benötigen wir ganze drei Tage.“

Klar, in der Versicherungsbranche wurden Antragsprozesse beschleunigt, die Dunkelverarbeitungsquoten erhöht und die KI-gesteuerte Leadgenerierung eingeführt. Aber für die Beiträge sollen dann doch noch ein paar Unterlagen eingereicht werden.

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IDnow: Sicherheit trifft Benutzerfreundlichkeit

Ein weiteres Vorbild ist die IDnow GmbH, ein führender Anbieter von Identitätsverifizierungsdiensten. Dabei fasziniert nicht nur, wie diese Dienste Endkunden helfen, sich zu legitimieren, sondern auch, wie Uwe Stelzig, Managing Director DACH bei IDnow, mutig in die Zukunft blickt:

„Wir wollen, dass unsere Kunden den Betrügern immer einen Schritt voraus sind. Das erreichen wir mit automatisierten Lösungsportfolios. Digitale Identitäten sind der Schlüssel zu einer modernen Betrugsprävention. Wir brauchen Lösungen, die über einzelne Produkte hinausgehen und alle Kontaktpunkte abdecken. Nur durch Wettbewerb entstehen bessere, dauerhafte und moderne Systeme.”

IDnow arbeitet heute schon an zentralen digitalen Identitäten (also einer digitalen Identität statt 80 bis 100 pro Person heutzutage) und deren Infrastruktur. Die Versicherungsbranche dagegen verschickt teilweise noch Papieranträge und erwartet, dass Kunden PDFs ausfüllen.

Qwist: Datenanalyse, wie sie sein muss – plastisch, unbequem, notwendig

Ein weiteres Highlight der FIBE war auch das Statement von Matt Colebourne, CEO von der Qwist Group, einem Unternehmen, das PSD2-APIs sowie -Risikoanalysen und -modelle anbietet. Er brachte ein Beispiel, das zeigt, wie präzise datengetriebene Risikobewertung heute schon funktioniert:

„Ein einzelnes, vielleicht plastisches Beispiel für unsere Einsicht in Kundenverhalten: Wer zwischen ein und drei Uhr morgens ein ‚Buy now pay later‘-Produkt nutzt, hat eine deutlich höhere Ausfallwahrscheinlichkeit. Es ist eine Kunst, den übernächtigten Impulskäufer vom hart arbeitenden Nachtschichtheimkehrer zu unterscheiden.“

Gastautor Robin Kiera (re.) mit Matt Colebourne auf der diesjährigen FIBE (Bild: Digitalscouting)
Gastautor Robin Kiera (re.) mit Matt Colebourne auf der diesjährigen FIBE (Bild: Digitalscouting)

Diese Art von Mikroanalyse zeigt: Daten sind nicht nur „big“ – sie sind präzise, kontextuell und potenziell entscheidend für die Risikosteuerung. Man braucht nicht nur Daten, sondern auch die Analysekompetenz, um wirkliche Einblicke zu generieren. Versicherer, die weiterhin ausschließlich auf Alter, Beruf und Einkommen setzen, sind mit solchen granularen Verhaltensdaten nicht mehr in der gleichen Liga unterwegs.

Zugriff auf Transaktionsdaten wird Standard

Und es bleibt nicht bei der Technik. Auch regulatorisch kommt mehr Druck: „Wer sich noch nicht an PSD2 gewöhnt hat, soll sich auf PSD3 gefasst machen. Open Banking wird von einem Nice-to-have mit vielen Defiziten und Unzulänglichkeiten zu einem Must-have.“

Was das bedeutet? Der Zugriff auf Transaktionsdaten wird Standard. Und wer sie nicht nutzt, wird bald nicht nur langsamer – sondern überflüssig.

Ein strukturelles Problem: Legacy-IT trifft auf Legacy-Denken

Die meisten Versicherer haben nicht zu wenig Geld oder Daten – sie haben zu viele interne Hürden. Fachabteilungen, die nicht mit der IT reden. IT-Abteilungen, die nicht mit dem Markt redet. Daten, die überall verstreut sind. Und Vorstände, die sich mit KI erst beschäftigen wollen, wenn diese sicher ist.

Das erinnert ein bisschen an Blockbuster, die Netflix belächelt haben. Oder an Kodak, das die digitale Kamera erfand – und dann beerdigte.

Was auf dem Spiel steht

Künstliche Intelligenz wird nicht nur die Prozesse beschleunigen. Sie wird die Spielregeln ändern.

  • Wer schneller tarifieren kann, gewinnt Makler und Kunden.
  • Wer schneller im Service ist, gewinnt Kundenzufriedenheit.
  • Wer bessere Empfehlungen gibt, gewinnt Cross-Selling-Potenzial.

Und das alles skaliert. Exponentiell.

Fazit: KI und Daten sind der neue Standard

Die FIBE Berlin 2025 hat gezeigt: Wer 2025 noch in der Konzeptionsphase steckt, wird Probleme bekommen. Die Branche muss sich entscheiden: Wollen wir mit KI arbeiten – oder gegen Unternehmen konkurrieren, die es tun?

Die Antwort muss nicht sofort perfekt sein. Aber sie muss jetzt beginnen. „KI ist nicht die Zukunft. Sie ist die Gegenwart – nur ungleich verteilt.“ (Frei nach William Gibson, angewendet auf die Versicherungswirtschaft.)

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