Bürger fürchten zunehmend den Streit vor Gericht

23.4.2024 – Das am 27. Mai erscheinende Extrablatt beschäftigt sich mit der Rechtsschutzversicherung. Bei der Recherche zeigte sich, dass dies ein nach wie vor hart umkämpfter Markt ist mit viel Potenzial. Auch wenn die Schlagzeilen um Massenklagen wie etwa im Diesel-Skandal ein anderes Bild zeichnen, verzichten doch viele Haushalte darauf, ihr Recht durchzusetzen.

An deutschen Zivilgerichten sinkt die Zahl der eingehenden Klagen seit mehr als 20 Jahren deutlich. Der Weg zum Recht stellt sich für viele immer häufiger als Ultima Ratio dar, so der Abschlussbericht „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“ des Bundesministeriums der Justiz.

Kosten, Zeitaufwand, seelischer Stress

Das wäre unproblematisch, beruhte der Rückgang nur auf Gründen wie etwa der Zunahme alternativer Formen der Konfliktbeilegung wie Schlichtung und Mediation.

Einer der wichtigsten Gründe auf eine Klage zu verzichten, ist die von den 7.500 befragten Privatpersonenhaushalten „wahrgenommene Unwirtschaftlichkeit eines Prozesses“. Diese ergibt sich als Relation von Erfolgsaussichten zum Zeitaufwand, den Kosten und der psychischen Belastung.

Die Zivilgerichte verhandeln im Wesentlichen private Rechtsstreitigkeiten – beispielsweise im Zusammenhang mit Krediten, Verkehrsunfällen oder Mietsachen. Für die Zeit zwischen 2005 und 2019 nennt der Bericht einen Rückgang der erstinstanzlichen Verfahren bei Zivilgerichten von rund einem Drittel.

„...es ist für Kläger und Klägerinnen insbesondere ohne Rechtschutzversicherung auch finanziell riskant. Der Prozessausgang ist unsicher und es besteht das Risiko des Unterliegens, aber auch das Risiko selbst im Erfolgsfall wegen der Zweitschuldnerhaftung oder der Vereinbarung einer Vergütung, die die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übersteigt, einen mehr oder weniger großen Teil der Prozesskosten tragen zu müssen,“ so der Bericht.

Immer seltener vor Gericht

Der „Roland Rechtsschutzreport 2024“ kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Nur 23 Prozent der Bevölkerung war in den letzten zehn Jahren an einem Gerichtsprozess – als Zeuge, Kläger oder Beklagter – beteiligt. Zwischen 2011 und 2015 lag der Wert noch bei 29 Prozent.

Hier bemängelten mehr als drei Viertel der Befragten, dass Verfahren in Deutschland zu lange dauern (82 Prozent) und Gerichte zunehmend überlastet sind (77 Prozent).

Der Verbraucher schätzt das Kostenrisiko übrigens recht gut ein: Prozess- und Gerichtskostenrechner (beispielsweise auf den Webseiten der Arag SE oder der Advocard Rechtsschutz-Versicherung AG) zeigen, dass bei einem Streitwert von 1.000 Euro im günstigsten Fall – nach Beendigung der ersten Instanz mit einem Urteil und einer geringen Anzahl von Gegnern und Mandanten – bereits mehr als 800 Euro Kosten entstehen.

Doch selbst, wer dieses Risiko eingehen mag, steht nicht selten vor Problemen, wie sich aus dem Abschlussbericht ergibt: „Für kleinere Forderungen ist es oft auch schwierig eine anwaltliche Vertretung zu finden. Auch und insbesondere, weil für kleinere bis mittlere vor Forderungen oft von der RVG abgewichen wird.“ Sind die Sachverhalte inhaltlich recht anspruchsvoll oder komplex, dürfen alle Beteiligten nämlich höher abrechnen.

Rechtsschutzversicherung lohnt sich

In derartigen Fällen ist ein Rechtsschutz besonders sinnvoll: seit Jahren bemüht sich die Branche nämlich weg von der reinen Kostenerstattung hin zu mehr Services, vom Zahler zum „Kümmerer“. Vielfach werden die Kunden bei der Anwaltssuche und mit kostenfreier Beratung via Telefon oder auch durch eigene Rechtsanwalt-Netze unterstützt.

Im Abschlussbericht findet sich eine Schätzung der Rechtsschutzversicherer, wonach rund 90 Prozent aller potenziellen Konflikte nach erster telefonischer Orientierung erledigt würden.

Eine Ausnahme hiervon bildeten aber die Schäden aufgrund von massenhaft auftretenden gleich gelagerten Einzelschäden, wie beispielsweise im Zusammenhang mit Schadensersatzklagen früherer Wirecard-Aktionäre, dem „Diesel-Skandal“ oder den Streitigkeiten um Widerrufe von Verbraucherdarlehen.

Vieles ist unversichert

56 Prozent der Privathaushalte haben inzwischen eine Rechtschutzversicherung. Das sind zwar rund drei Prozentpunkte mehr als vor zehn Jahren, bietet aber noch Potenzial: Viele Haushalte sind nur in einzelnen Rechtsgebieten abgesichert. Das ist vor allem der Verkehrsrechtschutz, den die Automobilclubs einfach und preiswert anbieten.

Extrablatt 2|2024 (Bild: VersicherungsJournal)
Extrablatt 2|2024 (Bild: VersicherungsJournal)
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Deckungslücken ergeben sich aber nicht nur aus dem Abschluss einzelner Rechtsgebiete, sondern auch aus der Veralterung der Verträge. So haben die Rechtsschutzversicherer und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. mehrfach ihre (Muster-) Bedingungswerke überarbeitet und erweitert.

Welche Lücken mit Altverträgen verbunden sein können, zeigt das Extrablatt.

So kommt das Extrablatt zu Ihnen

Das VersicherungsJournal-Extrablatt „Rechtsschutz – Rückenwind für Neugeschäft“ kann als Druckausgabe bis zum 16. Mai über dieses Formular bestellt werden – und steht ab dem 27. Mai Internet zum Download.

Das Heft ist – im Inlandsbezug – kostenfrei. Wer das Extrablatt bereits abonniert hat, bekommt auch diese Ausgabe automatisch zugesandt. Premium-Abonnementen des VersicherungsJournals werden bevorzugt bedient und können rund eine Woche früher auf die neue Ausgabe im PDF-Format zugreifen.

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