Nachhaltigkeit ist oft Etikettenschwindel

5.4.2024 – Siegel aller Art für Versicherungsprodukte sorgen für Unsicherheit und wenig Vertrauen. Für den Begriff Nachhaltigkeit gibt es keine klare Definition. Dies eröffnet die Chance zu einem Gedankenaustausch mit dem Kunden über eine „Enkel-taugliche Zukunft“. Dass nachhaltige Geldanlagen Rendite kosten, ist nach Meinung der Makler Stephan Busch und Tom Wonneberger widerlegt und unlogisch. Die Makler sind überzeugt, dass trotz vielfachem Etikettenschwindel Nachhaltigkeit zum Hygienefaktor werden wird.

Seit August 2022 müssen Anlageberater und Vermittler bei der Beratung von Versicherungsanlageprodukten die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen. Ein ungeliebtes und undankbares Thema (VersicherungsJournal 18.10.2023).

Es ist komplex. Klarheit, Motivation und Aufklärung fehlen oft – zumindest bei den Details. Diese Situation bietet kompetenten, kreativen Beratern aber durchaus Chancen.

Stephan Busch (li.) und Tom Wonneberger (re.) (Bild: privat)
Stephan Busch (li.) und Tom Wonneberger (Bild: privat)

Die Siegel-Inflation kostet Vertrauen

Stephan Busch und Tom Wonneberger, die im Jahr 2012 die Firma Progress Finanzplaner gegründet haben, sind solche kreativen Köpfe. Sie setzen auf Standards, wenn es ihnen sinnvoll erscheint. Allen Arten von Siegeln stehen sie aber misstrauisch gegenüber.

„Zeigen Sie mir ein Finanz-/Versicherungsprodukt, das nicht mit zahlreichen Siegeln und Auszeichnungen zugeklatscht ist. Diese Inflation sorgt für Unsicherheit und wenig Vertrauen. Am problematischsten sind sicherlich die Auftragssiegel einiger Anbieter“, meint Makler Busch.

Kollege Wonneberger ergänzt: „Das „Forum nachhaltige Geldanlage“ halten wir für ganz charmant. Das arbeitet unabhängig und hat jahrelange Erfahrung in diesem Bereich. Die Untersuchungen und Kriterien sind transparent nachvollziehbar. Das heißt nicht zwangsläufig, dass alle anderen schlecht sind.“

Enkel-taugliche Zukunft statt Nachhaltigkeit

Die Erfahrung von Wonneberger: „Das Doofe ist, dass es keine Wikipedia-taugliche Definition von Nachhaltigkeit gibt. Es gibt jedoch Teilbereiche und Aspekte, die sich gut definieren und abgrenzen lassen. So öffnet sich der Raum für jeden einzelnen, selbst zu beschreiben, was für ihn Nachhaltigkeit ist. Das wiederum ist eine gute Möglichkeit für den Gesprächseinstieg zum Thema.“

Und wie gehen die Makler konkret vor? Stephan Busch stellt den Weg vor: „Wir finden die Formulierung „Enkel-taugliche Zukunft“ gelungen. Denkt man an seine Kinder oder Kindeskinder ist klar, was man möchte und was man keinesfalls möchte. Auch wenn das für jeden ein bisschen was anderes ist. Alle wollen, dass die eigenen Kinder und Kindeskinder in Ruhe, Frieden und Sicherheit aufwachsen.

Niemand will, dass sie sich Sorgen machen müssen, um Essen, sauberes Wasser, Gewalt oder eine zerstörte Umwelt. Wenn wir nun den Bogen von unseren eigenen Kindern zu allen Kindern schlagen, haben wir doch eigentlich alle was davon.“ Durch einen solchen Gedankenaustausch entsteht Vertrauen. Die Kundenwünsche werden deutlich. Der Weg für eine gezielte Produktauswahl ist geebnet.

Das Märchen von Renditeeinbußen

Dass nachhaltige Anlagen Rendite kosten, ist umstritten. Für die beiden Makler lässt sich diese These empirisch wie rational widerlegen: „Nachhaltige Unternehmen verbrauchen weniger Ressourcen. Nachhaltige Unternehmen pflegen einen besseren Umgang mit ihren Mitarbeitern. Sie haben also Vorteile im Kampf um Fachkräfte.

Nachhaltige Unternehmen können höhere Preise durchsetzen, da deren Kunden höhere Preise für Nachhaltigkeit akzeptieren und sie sich leisten können. Unterm Strich sind nachhaltige Unternehmen also langfristig erfolgreicher. Da an der Börse die Zukunft und Erwartungen gehandelt werden, entwickeln sich deren Werte besser als die von nicht nachhaltigen Unternehmen.“

Etikettenschwindel und Veränderungen zulasten der Vermittler

„Ja“, meint Makler Wonneberger, Etikettenschwindel gibt es: „Wir kleben Siegel auf Produkte/Firmen, die nicht wirklich nachhaltig sind. Wir pflanzen ein Bäumchen, während die Vorstände noch innerdeutsch rumfliegen. Wir stellen einen Bienenstock auf, aber ein Großteil unseres Kapitals fließt noch in fossile Industrien.“

Sein Kollege wird noch deutlicher: „Kriegt die Versicherungswirtschaft das nicht in den Griff, darf sie sich über ihr mieses Image nicht wundern.“ Er begrüßt einerseits die zahlreichen Veränderungen: „Es zeigt, dass die Branche was tut.“ Andererseits hält er sie für problematisch: „Denn auf welcher Grundlage sollen die Vermittler eine Empfehlung treffen?“

Ein nachhaltiger Vermittlerbetrieb braucht keinen Dienstwagen

Für die beiden Makler ist es zunächst wichtig, ihre Mandantschaft über Nachhaltigkeit aufzuklären und sie zu befähigen, nachhaltiger zu agieren. Der Betrieb ist voll digitalisiert. Besprechungen finden online oder sehr selten im Büro statt. Gefahren wird mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Büro wird gelegentlich untervermietet. Die Mitarbeiterin arbeitet hauptsächlich „remote“.

Die Vermittler sind überzeugt: „Ohne Nachhaltigkeit wird es zukünftig gar nicht mehr gehen. Es wird ein Hygienefaktor. Hier steckt wahnsinnig viel Dynamik drin. Wir werden in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Entwicklungen sehen.“

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