Betriebliche Altersversorgung in mittelständischen Betrieben rückläufig
27.11.2024 – Immer weniger mittelständische Betriebe bieten eine betriebliche Altersversorgung an, wie eine Umfrage von Heute und Morgen zeigt. Auch die Verbreitung von Cyberversicherungen stagniert. Trotzdem wird das KMU-Segment als lukratives Geschäftsfeld bewertet.
Seit 2018 veröffentlicht die Heute und Morgen GmbH jährlich einen Gewerbekunden-Check Assekuranz. Die Studie soll Versicherern und Vermittlern relevante Trends im Gewerbekundenmarkt der mittelständischen Unternehmen aufzeigen.
Am Freitag wurde die jüngste Umfrage für das Jahr 2024 präsentiert. Der allgemeine Trend wird hierbei positiv bewertet.
Firmenversicherungen für kleine und mittlere Unternehmen bis 100 Beschäftigte stellen für die Assekuranz demnach ein lohnendes Geschäftsfeld dar. In den letzten fünf Jahren hat sich die durchschnittliche Zahl der abgeschlossenen Verträge bei den rund 3,3 Millionen Betrieben dieser Größenklasse stabil und positiv entwickelt. 2024 liegt der Wert bei 5,5 Verträgen pro Unternehmen, im Jahr 2020 waren es noch 5,2.
So wurde gefragt
Die Umfrage wurde von Heute und Morgen im Zeitraum vom 13. Mai bis 4. August 2024 durchgeführt. Befragt wurden Entscheider und Mitentscheider in Versicherungsfragen aus 1.500 Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern – telefonisch nach der CATI-Methode.
Die Unternehmen wurden repräsentativ nach fünf Betriebsgrößen quotiert: ein bis fünf Mitarbeiter, sechs bis neun Mitarbeiter, zehn bis 19 Mitarbeiter, 20 bis 49 Mitarbeiter und 50 bis 100 Mitarbeiter. Sie gehören vier Branchen an: Bau, Handel, Gewerbe und Dienstleistung.
Haftpflicht mit fast vollständiger Marktabdeckung
Am häufigsten abgeschlossen haben Firmenkunden eine Betriebshaftpflicht oder Berufshaftpflicht. Sie ist in 98 Prozent der befragten Unternehmen vorhanden. Es folgt die Kfz-Versicherung beziehungsweise Fuhrparkversicherung mit einer Marktabdeckung von 89 Prozent.
Eine gewerbliche Rechtsschutzversicherung besitzen 77 Prozent der Unternehmen, eine Inventarversicherung 72 Prozent. Sie greift bei finanziellen Verlusten durch Schäden am Betriebsinventar, etwa durch Feuer, Wasser, Einbruchdiebstahl oder Sturm.
Gebäudeversicherungen sind in 57 Prozent der Unternehmen vorhanden, Maschinenversicherungen in 41 Prozent. Transportversicherungen haben einen Verbreitungsgrad von 32 Prozent, während Elektronikversicherungen bei 27 Prozent liegen.
Am wenigsten verbreitet sind D&O-Versicherungen. Ein solcher Schutz, mit dem Unternehmen ihre Manager und Führungskräfte gegen private Haftungsrisiken absichern, ist nur in knapp jedem sechsten Unternehmen vorhanden.
Verbreitung von Cyberversicherungen stagniert
Das Beratungsinstitut sieht langfristig eine positive Entwicklung bei Cyberversicherungen. Die Marktabdeckung stieg von 14 Prozent im Jahr 2020 auf derzeit 22 Prozent. 2024 stagniert das Wachstum jedoch erstmals, so dass in diesem Jahr keine Zuwächse gegenüber 2023 zu verzeichnen sind.
Heute und Morgen empfiehlt, den Fokus im Cyber-Segment verstärkt auf kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern zu richten. Hier ist die Marktabdeckung noch sehr gering, konkrete Zahlen werden nicht genannt.
Grundsätzlich zeigt sich, dass Unternehmen, die mit sensiblen Daten arbeiten, häufiger einen Cyberschutz abschließen. So hat beispielsweise jedes zweite Unternehmen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung eine entsprechende Versicherung.
Die Studienautoren erkennen auch bei Gruppenversicherungen in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) einen positiven Trend, wenn auch auf niedrigem Niveau. Derzeit haben 15 Prozent der Unternehmen solche Verträge, 2020 waren es noch zwölf Prozent.
- (Bild: Heute und Morgen)
Betriebliche Altersversorgung verliert an Attraktivität
Ein negativer Trend zeigt sich hingegen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Im Fünf-Jahres-Vergleich musste sie einen deutlichen Rückgang hinnehmen. 2020 boten noch 44 Prozent der Betriebe eine bAV an, 2024 sind es nur noch 36 Prozent – ein Rückgang von acht Prozentpunkten.
Insbesondere für kleine Unternehmen sei die bAV oft keine attraktive Option mehr. Sie konkurriere mit zahlreichen anderen Zusatzleistungen wie etwa Kindergartenzuschüssen oder der Bezahlung von Fitnessstudios, warnen die Studienautoren. In einigen Branchen wie dem Einzelhandel und dem Handwerk habe weniger als jedes vierte Unternehmen eine betriebliche Altersvorsorge implementiert.
Bei der bAV kranke es auf mehreren Ebenen. So sehen die Marktforscher Versäumnisse im Vertrieb und in der Beratung zu den Produkten. Nur etwa jedes dritte Unternehmen ohne entsprechendes Angebot sei bereits von einem Versicherungsberater auf das Thema angesprochen worden.
„Das Gewerbekundengeschäft benötigt für die kommenden Jahre neue Wachstumsimpulse“, sagt Axel Stempel, Geschäftsführer bei Heute und Morgen. „Gerade in der betrieblichen Altersvorsorge bedarf es grundlegender Neuausrichtungen in der Produktarchitektur und der Vertriebskommunikation.“
- (Bild: Heute und Morgen)
Hat die bAV ein Transparenz- und Kommunikationsproblem?
Die parallel von Heute und Morgen durchgeführte Studie „Die Psychologie der betrieblichen Vorsorge“, für die 40 Tiefeninterviews mit Entscheidern durchgeführt wurden, zeigt zudem eine mangelnde Attraktivität und Transparenz der Angebote (VersicherungsJournal 24.10.2024).
Vereinfacht gesagt gibt es ein Kommunikationsproblem. Attraktiv sind für Arbeitgeber und Beschäftigte demnach Lohnzusatzleistungen, die im Alltag erlebbar sind und auf emotional besetzte Bedürfnisse abzielen – etwa soziale Integration oder individuelle Anerkennung. Diese schaffen unmittelbar positive Erlebnisse: bei einem Kindergartenzuschuss zum Beispiel das Wissen, dass das Kind gut betreut wird.
Die betriebliche Altersvorsorge hingegen wird als vages Zukunftsversprechen wahrgenommen, ohne greifbare positive Erlebnisse im Alltag. Das liegt auch an der Art der Produkte: Sie wirken nach Ansicht der befragten Personalentscheider angestaubt und sind mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden.
Die Bereitschaft zur Weiterempfehlung von bAV-Angeboten ist daher in den Betrieben gering. Auch die Arbeitgeber implementieren sie oft widerwillig. Viele der befragten Entscheider gaben zu Protokoll, sie hätten regelrecht überredet werden müssen, ein solches Angebot überhaupt einzuführen.
In bAV neue Produkte und neue Vertriebsansprache empfohlen
Die Studienautoren empfehlen neben einer Produktüberarbeitung auch eine neue Ansprache des Vertriebs an die Personalverantwortlichen.
Die bAV solle nicht nur als Instrument zur Mitarbeiterbindung in Zeiten des Fachkräftemangels beworben werden. Stattdessen sollten stärker emotional positive Aspekte hervorgehoben werden – zum Beispiel, dass die Entscheider als fürsorgliche Führungskraft handeln und Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen.
Weitere Informationen zur Studie „Gewerbekunden-Check Assekuranz 2024“ sowie Bezugsmöglichkeiten sind auf der Webseite von Heute und Morgen zu finden.